Als Opernsängerin viel unterwegs und gleichzeitig für ihr Kind da zu sein, war für sie eine große Herausforderung. Angelika Kirchschlager hat sich ihre Leichtigkeit bewahrt. Am 26. Juni ist sie bei Klassik am Dom zu Gast. Wer auf den Bühnen der Welt zu Hause ist, braucht einen Ort zum Innehalten. Das Bedürfnis danach steigt, erzählt der Opernstar im Interview.
Ausgabe: 2015/19, Klassik am Dom, Kirchschlager
05.05.2015 - Das Gespräch führte Elisabeth Leitner
Ihr Opernkollege Michael Schade hat gesagt: Wenn Sie miteinander in Linz auf der Bühne stehen, werden die Funken springen! Angelika Kirchschlager: Ja. Das wird sicher so. Wir haben miteinander so viel Spaß auf der Bühne, wir kennen uns so gut. – Das ist auf der Bühne von Vorteil, wenn man sich aufeinander verlassen kann und wenn die Chemie stimmt. Es ist für uns persönlich eine große Freude, miteinander zu singen. Wir hoffen, dass sich auch das Publikum freut. Und Kontakt zum Publikum zu bekommen, ist für mich das Wichtigste auf der Bühne.
Was verbinden Sie mit Linz? Sie haben schon die Grottenbahn und den Pöstlingberg erwähnt. Die Donau: Mein Großvater war ein „Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän“. Er ist mit den Frachtschiffen ein Leben lang die Donau rauf und runter gefahren, die Familie hat an der Donau gewohnt. Zum Brucknerhaus hab ich sehr viele emotionale Verbindungen – und ein bisschen kenne ich die Altstadt. Wenn ich wo hinkomme, dann bin ich dort zum Singen und hab keine Zeit zum Herumlaufen. Ich möchte einmal drei Tage in Linz sein und mir alles anschauen.
Auf den Bühnen der Welt zu Hause und trotzdem ein geregeltes Familienleben führen: Wie geht das? Und wie war das, als Ihr Sohn klein war? Erinnern Sie mich nicht an diese Zeit! Wie wir das geschafft haben, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass er ein ganz toller Bursche geworden ist, ein Sonnenschein, der uns nur Freude bereitet. Wir haben immer versucht, die perfekte Lösung zu finden. Wir haben immer gedacht, irgendwann werden wir sie finden – mit Eltern, Babysittern. Es war eine Improvisation – 18 Jahre lang. Die perfekte Lösung hat sich nicht gefunden. Er hat einen tollen Vater, meine Eltern, meine Freunde waren da. Beim Kinderwagerl Schieben hab ich mir die Noten klein kopiert, damit ich das Wagerl schieben und mit einer Hand die Noten halten konnte. So hab ich meine Liederabende auswendig gelernt.
Trotz schlafloser Nächte, weil das Kind krank ist, am nächsten Tag proben, Aufführungen singen, reisen. Ist es nicht beeindruckend, welche Kräfte da mobilisiert werden können? Es ist unglaublich! Meine Theorie ist einfach, dass auf der anderen Seite die Freude und das Glück genau so groß sind und der Energie-Austausch mit dem Kind. Dadurch ist es möglich, aber es geht schon auf die Substanz. Zeit für mich habe ich nur gehabt, wenn ich alleine irgendwo in einem Hotel gesessen bin. Dann hab ich versucht, viel zu schlafen und wieder aufzutanken. Jetzt ist er groß und geht nach Berlin, daran muss ich mich erst gewöhnen. Zuerst drängen sie sich ins Leben, man stellt das ganze Leben um und dann gehen sie wieder weg – und plötzlich ist wieder so viel Raum frei.
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht oft zulasten der Frauen. Wie haben Sie das erlebt? Für Frauen ist das generell eine große Belastung. Man macht es aber mit großer Freude. Ich würde auf alle Fälle wieder arbeiten gehen, aber ich würde das nicht noch einmal so machen. Wegen der vielen Trennungen. Das war immer furchtbar. Mein Sohn war sehr tapfer. Er hat es mir eh leicht gemacht. Das Wichtigste ist, dass sie die Nummer eins sind. Und wenn man zuhause ist, dann soll man wirklich zuhause sein: nicht telefonieren, keine Freunde treffen. Ich war vielleicht öfter weg, aber er hat immer gewusst, er ist das Wichtigste, er kann mich immer anrufen. Diese Sicherheit in der Abwesenheit hat uns besonders zusammengeschweißt.
Sie stehen schon lange auf der Bühne. Wie beurteilen Sie heute die Arbeitssituation von jungen Sängerinnen und Sängern an Opernhäusern? Ich bin froh, dass ich jetzt nicht mehr anfangen muss, weil die Zeit wahnsinnig kurzlebig geworden ist. Vielleicht geht es noch am ehesten an einem Landestheater mit einem Intendanten, der junge Leute fördert und die Vision hat, dass sich eine Stimme und eine Persönlichkeit langsam entwickeln können. Man hat nicht alles von vornherein, niemand hat das! Sogar der begabteste, tollste Sänger muss sich entwickeln. Es muss Scheitern möglich sein. Und heutzutage ist es so – und das ist überhaupt ein Gesellschaftsphänomen – dass niemand mehr scheitern darf. Es lauern schon alle. Wenn einer scheitert, stürzen sich alle auf den. Ein junger Sänger braucht Schutz. Ich habe auch einen Mentor gehabt. Ich bin noch aus der letzten Generation, in der sich etwas entwickeln durfte. Heute bekommst du eine Chance, entweder es funktioniert oder man ist gleich wieder weg. Dazu kommt: Die Stimme ist ein körperliches Instrument. Sie braucht Ruhe. Man kann nicht fünf oder sechs Mal in der Woche singen. Wenn das verlangt wird, wird man verheizt. Auf der anderen Seite: Das Geld wird überall weniger. Man müsste komplett umstrukturieren.
Viele Opernhäuser sperren zu. Der Druck steigt. Umso erstaunlicher ist es, dass Sie sich Ihre Leichtigkeit bewahrt haben. Wie schaffen Sie das? Ich glaube, ich hab das gar nicht gecheckt, wo ich bin. Ich hab nie gekämpft dafür. Das war mein Schicksal. Ich hab immer nur erfüllt, was mir das Leben gebracht hat. Es sind ständig neue Angebote gekommen. Ich war nur erstaunt, wo ich jetzt schon wieder bin. Wien, New York, London. Für mich war es gut so. Es hat immer diese Leichtigkeit gehabt, deshalb bin ich so unbelastet. Und jetzt merke ich, dass mich das zu viel Kraft kostet. Ich versuche die Triebwerke zurückzuschalten, auf Sinkflug zu gehen. Ich bin wie ein Familien-VW-Bus, Second Hand, vollgepackt, mit Kindersitz, Noten, Freunden, Partyzeug, Familie. Mein ganzes Leben fährt in diesem Gebrauchtwagen, der gemacht ist für 120 km/h – und ich fahre jetzt mit diesem ganzen Bus seit 20 Jahren auf der fünften Überholspur mit 190. Jetzt möchte ich mal auf die zweite oder erste Spur wechseln. Ich möchte öfter mal in die Raststation fahren – mit meinem ganzen Leben. So eine Gelegenheit wie in Linz ist für mich optimal: zuhause singen mit Freunden. Da sagen wir doch sofort Ja!
Apropos Rast-Station. Kennen Sie das Projekt „Turmeremit im Mariendom“ gleich hier gegenüber? Ja, das kenne ich gut. Das ist lustig. Der beste Freund meiner Eltern war dort. Erich Lindner – über den ist die Doku gemacht worden. Das wäre natürlich nicht schlecht, wenn ich so etwas mal machen würde. Kann man sich da anmelden? Ich bin ja dauernd auf der Suche nach einer „Rast-Station“. Ein Wochenende da oben wäre großartig. Phantastisch!
Muttertagsaktion
Gemeinsam mit dem Bruckner Orchester Linz unter der Leitung von Florian Krumpöck werden Angelika Kirchschlager, Michael Schade und Theresa Grabner bei der großen „Klassik-Gala“ für einen besonderen Kunstgenuss sorgen. Das Konzert findet am Freitag, 26. Juni um 20.30 Uhr auf dem Domplatz Linz statt. Bereits am 24. Juni ist Italo-Barde Paolo Conte mit Band zu erleben. Am 27. Juni folgt Max Raabe mit seinem Palastorchester. Klassik am Dom bietet folgende Aktion zum Muttertag an: Bis 17. Mai gibt es beim Kauf von Tickets zweier unterschiedlicher Konzerte von Klassik am Dom eine Ermäßigung von 10 % und beim Kauf von Tickets für drei Konzerte eine Ermäßigung in der Höhe von 20 %. Die Ermäßigung ist nur im Domcenter Linz vor Ort oder unter Tel. 0732 / 94 61 00 gültig.