Oft ist von der „Macht“ der Konsumenten die Rede: Er oder sie haben es demnach in der Hand, mit richtigen Kaufentscheidungen einen Beitrag zum fairen Handel zu leisten. Nur stehen wir auch als Konsumenten unter Zwängen von Mode und Gruppendruck. Das Umdenken muss daher tiefer gehen.
Fallbeispiel: Das monatliche Familieneinkommen ist klein. Trotzdem ist es mir und den Kindern wichtig, dass sie entsprechend ihrem Alter cool angezogen sind. Fair gehandelte Mode hat den Nachteil, dass sie oft teuer ist oder nicht besonders modisch. Kaufe ich beim Textildiscounter oder auch große Marken, kann ich mir nicht sicher sein, ob ich damit nicht vielleicht die Ausbeutung von Menschen unterstütze.
Antwort: Etwa 280.000 Kinder in Österreich gelten als armutsgefährdet oder leben in Armut. Die Eltern oder alleinerziehenden Mütter bzw. Väter dieser Kinder nehme ich bewusst aus den folgenden Überlegungen aus. Sie haben keine Wahl, was sie ihren Kindern zum Anziehen kaufen, sondern müssen das Billigste nehmen, das ohnehin oft nicht das Modischste ist. Es geht also um Familien, die nicht armutsgefährdet sind, und es geht um Kaufentscheidungen, bei denen man sich den Luxus leisten kann, auf modischen Chic zu achten.
Gruppendruck
Klar ist der Gruppendruck hoch, gerade bei Kindern. Wer nicht die Marken trägt, die gerade „in“ sind, ist schnell „out“. Das wäre übrigens ein gutes Argument für Schuluniformen, wie sie in den meisten europäischen Ländern mindestens in den Pflichtschulen üblich sind. Mit Schuluniformen wäre die Schule kein Laufsteg mehr, und das würde sich sehr wohltuend auswirken. Paradoxerweise sind gerade die weniger begüterten Eltern eher gegen Schuluniformen als die wohlhabenderen. Das andere ist die Frage, woraus Kinder eigentlich ihr Selbstwertgefühl beziehen. Sind sie nur dann wer, wenn sie ständig das neueste Handy besitzen und die coolste Markenkleidung tragen? Müssen sie ihren Wert ständig öffentlich beweisen? Oder sind sie wer, weil ihre Eltern sie lieben und sich Zeit für sie nehmen, so dass sie tief in ihrem Inneren ein Gefühl der Geborgenheit und Anerkennung spüren? Ich bin überzeugt: Eltern, die ihrem Kind echte Zuneigung zeigen, können ihm auch erklären, warum das fair gehandelte Kleidungsstück besser ist als die Markenkleidung.
Ethik im Alltag
Eine Serie mit Michael Rosenberger, Universitätsprofessor für Moraltheologie an der Kath.-Theol. Privatuniversität Linz Teil 5 von 5