„Die Krise ist keine direkte materielle, sondern eine Vertrauenskrise.“ – So lautet der Befund des Zeitgeschichtlers Universitätsprofessor Dr. Gerhard Botz vor dem Hintergrund der jüngsten und der kommenden politischen Wahlen.
„Die Österreicherinnen und Österreicher sind nicht autoritärer als andere Mitteleuropäer“, sagt Botz. Die KirchenZeitung fragte ihn, ob er die Ergebnisse der Landtagswahlen in der Steiermark und im Burgenland eher als Folge von Protest oder als Konsequenz dessen sieht, wie die österreichische Polit-Seele tickt. Er sehe keinen Gegensatz zwischen Protest und politischer Einstellung. Der Protest folgt aus der Krise, aus einer großen Unzufriedenheit, der die großen Parteien keinen Platz geben.
Angstmacher
Besonders in der Steiermark hat der Wahlsieger, die FPÖ, im Wahlkampf mit Fremdenangst um Stimmen geworben. So zeigte ein Plakat einen Vermummten mit Pistole vor einem steirischen Dorf, dazu die Schlagzeile: „Steirische Asylheime: Jede Woche ein Polizeieinsatz“. Die Angst vor Islamismus wird geschürt. Es gibt schon auch andere Angst-Themen: Arbeitslosigkeit, Einkommensverlust, Finanzreform. Doch die Zuwanderung ist seit Langem Thema Nummer 1 in der Strategie der Wahlgewinner. Angesichts der Unzufriedenheit über die Politik sind die Themenangebote anderer Oppositionsparteien zu schwach, meint Botz. Klimathemen etwa. Der Verlust an Liberalität wird in vielen Bereichen stärker. Da gebe es Parallelen zur Zwischenkriegszeit, sagt der Zeitgeschichtler Botz. Damals sei das System von innen und außen her zusammengebrochen.
Hoffnung Kirche
Die herrschenden Parteien hätten die Entwicklung übersehen. Das Problem sei kurzfristig nicht zu lösen. Doch eine Hoffnung gegen den Triumph des Stammtisches sieht er: Es kann sich durch lokal und regional agierende Gruppen die Stimmung wandeln. Der Wandel brauche aber mutige, reformfreudige Politiker in den Parteien, die ihr Handwerk verstehen. In dieser Brücke zwischen Politik von oben und Engagement von unten liegt für Botz die Hoffnung auf „Entängstlichung“ der Bevölkerung. Er nennt beim Engagement von unten mehrmals kirchliche Gruppen. Die Kirchenbasis ist mit Gewerkschaft, GRÜNEN sowie sozialistischer Jugend seine Hoffnung. „Die katholischen Gruppierungen, die lokalen Initiativen und die Gemeinden sind aufgerufen, die Angst abzubauen!“ Eine Lösung kann nicht von oben kommen, da wäre sie autoritär. Lösungen von unten haben Chancen.
Oberösterreich und Wien
Die nächsten Landtagswahlen sind in Oberösterreich (27. September) und Wien (11. Oktober). Oberösterreich ist für Botz am ehesten in der Lage, der Politik der Fremdenangst dagegenzuhalten. „Ich beneide Oberösterreich, ich sehe es noch nicht in der Katastrophe.“ Auch Schwarz-Grün könnte sich wieder ausgehen. Die Grünen hätten mittelfristig vernünftige Ziele, „doch kurzfristig gehen die Leute dorthin, wo man simple Hilfe verspricht“. Den Menschen müsse im Alltag gezeigt werden, dass ihnen die Zuwanderung nützt: Arbeitsplätze, Wirtschaft, kulturelle Begegnung.
Wahlen, Themen, Ergebnisse
- Am 27. September sind in Oberösterreich Landtagswahlen, am 11. Oktober in Wien. - Die Freiheitliche Partei hat bei den jüngsten Landtagswahlen in der Steiermark gegenüber den Wahlen 2010 enorm zugelegt. Das Stimmenplus beträgt 102.000 Stimmen. - Die SPÖ hat ein Stimmenminus von 64.000 und die ÖVP von 62.000. Hauptwahlkampfthema der Freiheitlichen war das Asylthema, die Fremdenangst, insbesondere die Angst vor Muslimen. - Im Burgenland hat die FPÖ deutlich gewonnen, wenn auch nicht so stark wie in der Steiermark; SPÖ und ÖVP mussten entsprechende Verluste hinnehmen. - Die Freiheitlichen im Burgenland setzten im Wahlkampf vor allem auf die Themen Sicherheit, Familie und Heimat.