Pakistan gilt als eines der Länder mit der gefährlichsten Lage für Christen. Erst im März wurden zwei Kirchen in der Provinzhauptstadt Lahore angegriffen. Dennoch sieht Lahores Erzbischof Sebastian Francis Shaw mögliche Entwicklungen, welche die Lage der Christen langfristig bessern könnten.
Ausgabe: 2015/24, Pakistan, Christen,
10.06.2015 - Heinz Niederleitner
„Pakistan macht eine schwierige Zeit durch“, sagt Shaw über die islamistische Bedrohung seiner Heimat. „Extremisten und Fanatiker wollen jeden Sektor der pakistanischen Gesellschaft treffen. So schüren sie Konflikte zwischen den Gruppen. Sie greifen Kirchen an, aber auch Moscheen.“ Über 95 Prozent der Menschen in Pakistan sind Muslime, die christliche Minderheit wird auf zwei Prozent geschätzt. Ziele eines Doppelanschlags am 15. März waren eine katholische und eine anglikanische Kirche in Lahore. „An jenem Sonntag ist unseren Sicherheitswachen ein Mann aufgefallen, den sie dann nicht in die Kirche gelassen haben“, sagte Shaw. Dieser Mann war ein Selbstmordattentäter, der seine Bombe dann außerhalb der Kirche zündete. Insgesamt kamen bei beiden Anschlägen laut Shaw 22 Menschen ums Leben.
Verwüstung
Es gebe durchaus auch gute Beziehungen zu Muslimen, sagt Erzbischof Shaw. Doch wenn es im religiösen Bereich zu Vorfällen komme, stünde neben der Einzelperson immer eine ganze Gruppe im Zentrum des Zorns. Vor zwei Jahren kam es wegen einer angeblich blasphemischen Äußerung gegen den Islam zur Verwüstung in der christlichen St.-Josephs-Kolonie in Lahore. „122 Häuser wurden völlig niedergebrannt. Die Polizei kam zu spät“, erinnert sich der Erzbischof. Später habe die Regierung die Wiedererrichtung von Häusern versprochen – und das Versprechen auch gehalten. Mit muslimischen Gelehrten und Imamen wurde eine interreligiöse Dialoggruppe gebildet. Diese trug heuer Ende Mai Früchte. „Ein geistig beeinträchtigter Mann hatte einige Papiere verbrannt. Angeblich waren auch Teile eines islamischen Katechismus dabei, doch manche Menschen behaupteten fälschlich, er habe Teile des Koran verbrannt“, berichtet Shaw. Während auf diese Weise der Zorn einer großen Menge von Muslimen entfacht wurde, kontaktierte er muslimische Repräsentanten der Dialoggruppe und die Polizei. „Mit deren Hilfe gelang es, Schlimmeres zu verhindern. Es war das erste Mal und wir waren erfolgreich“, sagt der Erzbischof. Jener beeinträchtige Mann, der die Papiere verbrannte, muss sich dennoch vor Gericht verantworten. Grund dafür ist das international kritisierte pakistanische Blasphemiegesetz, das anti-islamische Äußerungen unter Strafe stellt, aber leicht missbraucht werden kann. Weltweit bekannt ist der Fall der zum Tode verurteilten Christin Asia Bibi, für deren Begnadigung sich Menschen rund um den Globus einsetzen. „Die Regierung sagt, sie beabsichtigt ernsthaft, dieses Gesetz so zu reformieren, dass Missbrauch verhindert wird“, sagt Erzbischof Shaw. Tatsächlich wird es laut Beobachtern nicht nur gegen Christen, sondern auch gegen Muslime missbraucht, wenn bei Streitigkeiten ganz anderer Natur plötzlich Blasphemie-Vorwürfe vorgebracht werden. „Das Gesetz ganz aufzuheben, ist schwierig. Aber dass der Missbrauch verhindert werden soll, ist eine Hoffnung.“ Eine solche hat Shaw auch für Asia Bibi: „Ich habe die Hoffnung, dass sie begnadigt wird.“
Frieden
In seiner Schulzeit, sagt der 1958 geborene Erzbischof, habe es keine Probleme wie heute gegeben. „Ich hatte muslimische Freunde – und habe auch heute noch welche.“ Mit der Islamisierung in der Politik ab den 80er Jahren wurden Christen und andere Minderheiten Bürger zweiter Klasse. Doch jetzt hofft Shaw auf ein Überdenken in der Gesellschaft: Der Gründer Pakistans, Muhammad Ali Jinnah, habe 1947 Religion als private Entscheidung bezeichnet, die niemanden benachteiligen dürfe. „Nun denken Menschen bei uns darüber nach, dass wir zu dieser Basis zurückkehren sollen. Ich bin da optimistisch, dass wir wieder Frieden in Pakistan haben werden, auch wenn das Zeit brauchen wird“, sagt Erzbischof Shaw.