Österreichs Asylgesetze und die Kosovo-Flüchtlinge
Grundwasserspiegel der Menschlichkeit gesunken
Ausgabe: Ausländer, Kosovo-Albaner, Asylgesetze, Györ, Ungarn, Minister Schlögl, Caritas, Präsident Küberl, Österreich, Flüchtlinge, Abschiebung, EU,
15.07.1998 - Hans Baumgartner
„Lieber gehe ich zurück und laß mich erschießen“, sagte ein verzweifelter Kosovo-Albaner über das Leben im ungarischen Lager Györ. Innenminister Schlögl sah es und meinte ungerührt, Ungarn sei ein sicheres Drittland.Österreichs Asylgesetze und die Einstellung der handelnden Politiker und Behörden machen es möglich, was während des Bosnien-Krieges undenkbar gewesen wäre: Menschen, die vor den kriegerischen Auseinandersetzungen und serbischen „Säuberungsaktionen“ aus dem Kosovo fliehen, bekommen in Österreich kein Aufenthaltsrecht. Den Menschen im Land, die schon bei der Bosnienkrise das größere Herz als die Asyl-Verantwortlichen zeigten, sagt man es freilich anders. Außenminister Schüssel und Innenminister Schlögl beteuern in den Medien, daß angesichts der Lage im Kosovo keine Flüchtlinge abgeschoben werden dürfen. Die halbe WahrheitCaritaspräsident Franz Küberl, der in den letzten Wochen mehrfach beim Innenminister eine andere Asylpolitik gefordert hat, zur Kirchenzeitung: „Es ist schon richtig, daß Österreich keine Kosovo-Albaner in ihre Heimat abschiebt. Das aber ist nur die halbe Wahrheit. Die andere Wahrheit ist, daß Österreich beinahe täglich Kosovoflüchtlinge, die über Ungarn und Slowenien einreisen, dorthin zurückschickt.“ Begründet wird das mit der sogenannten Drittlandklausel. Sie besagt, daß Flüchtlinge, die über ein Land einreisen, wo sie vor Verfolgung sicher sind, in Österreich keinen Asylstatus erhalten. „Das Generalproblem ist nun“, so Küberl, daß „Kosovoflüchtlinge von den österreichischen Behörden wider besseres Wissen nach Ungarn zurückgeschickt werden. Sie erwarten dort menschenunwürdige Zustände in den Flüchtlingslagern, und sie sind dort auch nicht davor sicher, nach Jugoslawien abgeschoben zu werden.“ Das Innenministerium bestreitet diesen Vorwurf der Caritas.Wie erbarmungslos die österreichische Politik ist, illustriert Küberl mit einem Beispiel aus der Vorwoche. Da wurde eine Flüchtlingsfamilie aus dem Kosovo, die bei Verwandten in Zwettl Zuflucht gefunden hat und damit dem Staat nicht einmal Unterhaltskosten verursachte, nach Ablehnung ihres Asylantrages nach Ungarn zurückgeschoben. Ins Elend und in die Unsicherheit geschickt wurden ein dreijähriges Kind, eine schwangere Frau und ein Mann, der nach einem Beinbruch noch auf Krücken geht. Alle Bemühungen der Caritas, einen Abschiebeaufschub zu erreichen, wurden zurückgewiesen, weil Ungarn ja ein sicheres Drittland sei. „Dieses Beispiel zeigt, daß der Grundwasserspiegel der Menschlichkeit in Österreich einen gefährlichen Tiefststand erreicht hat“, meint Küberl betroffen.Die Forderungen der Caritas sind, so Küberl, o ein Abschiebestopp für Kosovoalbaner, da in der gegebenen Situation jeder, der nach Ungarn oder in ein anderes Land zurückgeschickt wird, in Gefahr kommt; o eine Initiative auf EU-Ebene für ein gemeinschaftliches, menschenrechtsverträgliches und solidarisches Vorgehen gegenüber Kosovoflüchtlingen mit einem Lastenausgleich für jene Länder, die einen Großteil der Flüchtlinge aufnehmen;o Verhandlungen mit Ungarn, die zum Ziel haben, die Flüchtlingsrechte in diesem Land und die Situation in den Lagern zu verbessern. „Es wäre ein guter Beitrag des österreichischen EU-Vorsitzes, dem EU-Aspiranten Ungarn nicht nur Vorschriften hinsichtlich einer humaneren Flüchtlingspolitik zu machen, sondern das Land dabei auch konkret zu unterstützen, zumal es die Suppe der EU-Abschottungspolitik auszulöffeln hat.“