Ausgabe: 1998/37, Stolpersteine in der Bibel, 1. Teil, Leben
09.09.1998 - Mag. Josef Schwabeneder
Todesstrafe, Abtreibung, Sterbehilfe. Das sind Themen der Zeit, Themen, bei denen es um das Leben geht. Was läßt sich aus der Bibel zu diesen Fragen sagen?„Leben“ ist für die Menschen des Alten (Ersten) Testamentes nicht bloß ein, sondern der zentrale Wert. Dabei ist Leben mehr als die bloße biologische Existenz, mehr als das bloße Überleben: Zum Leben gehören Gesundheit, Wohlstand, Glück, Nachkommen, Friede, Recht und Gerechtigkeit. Das Leben als Fülle all dieser Güter ist zunächst eine irdische Wirklichkeit, etwas, das nicht im Jenseits als „ewiges Leben“ erwartet, sondem in der Gegenwart und nahen Zukunft gelebt bzw. erhofft wird.Wenn auch das Leben eine zutiefst irdische Wirklichkeit ist, so liegt sein Ursprung doch in Gott: Jahwe ist die „Quelle des Lebens“ (Ps 36,10), Gott ist es, „der tötet und lebendig macht“ (Dtn 32,39). Obwohl Gott Ursprung und Quelle des Lebens ist, ist das Leben doch auch in die Verantwortung des Menschen gestellt. Der Mensch und die menschliche Gemeinschaft stehen vor der Wahl, im Leben nach den Geboten Gottes ihr Leben zu gewinnen oder zu verlieren: „Hiermit lege ich dir heute das Leben und das Glück, den Tod und das Unglück vor. Wenn du auf die Gebote des Herrn, deines Gottes, auf die ich dich heute verpflichte, hörst, .... dann wirst du leben und zahlreich werden ... Leben und Tod lege ich dir vor, Segen und Fluch. Wähle also das Leben, damit du lebst, du und deine Nachkommen.“ (Dtn 30,15-19)Im Laufe seiner lange Geschichte mußte das Volk Israel die Erfahrung machen, daß die Einheit eines gottgefälligen und glücklichen Lebens auf Erden oft nicht aufgeht. So entwickelte sich langsam ein Hoffnungshorizont über die Grenzen des irdischen Lebens hinaus, in welchen Jesus seine Verkündigung des Reiches Gottes stellen konnte. In seinen Wundertaten und Sündenbegegnungen bekundete Jesus, daß ihm vor allem das beschädigte Leben am Herzen lag, jene Frauen und Männer, deren Leben nicht glatt aufging. Der Evangelist Johannes stellt als Motto über das Wirken Jesu, des guten Hirten: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben, und es in Fülle haben!“Aus der Glaubenserfahrung des alten und neuen Gottesvolkes ergab sich - trotz mancher Verdunkelungen im Laufe der Geschichte - eine besondere Sensibilität für den Wert menschlichen Lebens. Diese Sensibilität vergötzte nicht die Stärke menschlicher Vitalität und Durchsetzungskraft, sondem erfreute sich an der Lebendigkeit und Schönheit der menschlichen und außermenschlichen Schöpfung und setzte sich ein für ein lebenswertes Leben auch und besonders der Frauen, Männer und Kinder, deren Leben sich in besonders gefährdeten und beschwerlichen Stadien ihres Lebens befanden - seien dies ungeborene Kinder, Kranke und Beeinträchtigte aller Art oder Menschen an ihrem Lebensende.Die modernen Probleme, die als „Stolpersteine“ der jüngeren gesellschaftlichen und medizinisch-technischen Entwicklung auf unserem Lebens-Weg liegen - wie die Abtreibungsproblematik, die menschenwürdige Bewältigung von Leiden und Sterben jenseits von aktiver Sterbehilfe, die Achtung des außermenschlichen Lebens und die Bewahrung der Schöpfung - lassen sich zwar nicht durch einen direkten fundamentalistischen Rückgriff auf einzelne Bibelstellen lösen. Wohl aber können sie im Geist der biblischen Botschaft vom Wert des Lebens solidarisch und tatkräftig angegangen werden, um menschenwürdige Lösungen zu finden, die dem Wert des Lebens ebenso gerecht werden, wie der menschlichen Selbstbestimmung und Verantwortlichkeit.Fragen zum NachdenkenWann beginnt das menschliche Leben? Ist Abtreibung verantwortbar?Gibt es ein Recht auf bzw. Tötung auf Verlangen?Ist die Todesstrafe eine zu rechtfertigende Ausnahme vom Tötungsverbot der Bibel? Reden Sie mit!Ab 21. September gibt es im Linzer Ursulinenhof öffentliche Bibelabende zu den Themen unserer Stolpersteinreihe (Thema: Homosexualität: ein Greuel für Gott?). Zum Thema dieser Woche(Der Wert des Lebens) findet der Abend am 5. Oktober statt.Leserinnen und Leser haben die Möglichkeit, sich zu beteiligen: n Schreiben Sie einen Leserbrief zu den Beiträgen auf dieser Seite, vor allem zu den angegebenen Impulsfragen.n Am TelefonJeweils am Freitag, 16 bis 18 Uhr, haben Sie die Möglichkeit, mit einem kompetenten Theologen zu unseren Themen zu sprechen. Am Freitag, 11. September, haben Sie erstmals die Möglichkeit dazu. % 0732/7610-3939.n Stolpersteine im InternetIn der Homepage der Kirchenzeitung finden Sie den aktuellen Beitrag. Adresse: www.dioezese-linz.or.at/at/kirchenzeitung. Schicken Sie Ihre Meinung an die Mail-Adresse des Bibelwerkes: bibelwerk@dioezese-linz.or.at.Die Vorträge bei den Bibelabenden werden auf Kassette aufgenommen. Die Themen „Wert des Lebens“ sowie „Homosexualität“ sind auf einer Kassette zusammengefaßt, die weiteren Themen auf einer zweiten. Preis: Jeweils S 70,–.Bestelladresse: Bibelwerk, Kapuzinerstraße 84, 4020 Linz.