Ausgabe: 1998/38, Dialog f. Österreich, Delegiertenversammlung
15.09.1998 - Hans Baumgartner
Mit der Delegiertenversammlung Ende Oktober geht der „Dialog für Österreich“ seiner „Feuerprobe“ entgegen. Das Arbeitsdokument legt 104 Vorschläge vor. Alle umstrittenen Themen der Kirchenreformdiskussion sind darin angesprochen.Entgegen allen Unkenrufen – das Arbeitsdokument für die Delegiertenversammlung macht dem Anspruch, einen ehrlichen, offenen Dialog führen zu wollen alle Ehre. Es stellt sich den heißen Themen der Kirchenreformdiskussion ebenso wie der Frage der Gottes- und Kirchenkrise unserer Zeit sowie jenen gesellschaftlichen Herausforderungen, in denen christliche Solidarität und der Schutz der Würde der menschlichen Person besonders gefragt sind. Das Besondere an diesem Papier ist, das es versucht, dem hohen Anspruch einer Dialogkultur, wie sie von Christen vorgelebt werden sollte, gerecht zu werden. Unterschiedliche Standpunkte werden offen auf den Tisch gelegt und mit einer unvoreingenommenen Sachlichkeit dargelegt. Darüber hinaus bemüht sich das Arbeitspapier, Brücken des Gesprächs zu bauen, indem es auch bei noch so strittigen Themen versucht, gemeinsame Grundlagen und Anliegen zu formulieren. So etwa macht das Dokument deutlich, daß das geweihte Dienstamt und eine entsprechende Berufungspastoral für die Kirche unverzichtbar sind, unabhängig davon, ob man nun für die Zulassung verheirateter Priester ist oder nicht. Redlich ist auch, wenn das Arbeitsdokument die gegenwärtigen Positionen des kirchlichen Lehramtes klar benennt. Das schützt vor Illusionen und macht deutlich, wo gesamtkirchlicher Dialogbedarf ist.Verfaßt wurde das Arbeitsdokument von Ursula Struppe (Theologische Kurse) und Otto Friedrich (Katholische Aktion) im Auftrag der bischöflichen Arbeitsgruppe „Dialog für Österreich“. Es ist kein bischöfliches Dokument, wie Weihbischof Schwarz betonte, aber es ist jener Text, den die Bischöfe Österreichs den rund 300 Delegierten zur Beratung vorlegen. Bis 5. Oktober können von und über die Delegierten Abänderungsanträge zu den 104 Vorschlägen zu den zwölf Themenbereichen eingebracht werden. Die Basis für den Text waren die mehr als 20 Fachtagungen zum Dialog und die rund 1000 Eingaben. Viele dieser Eingaben, so Ursula Struppe, „sind von einem großen Engagement und einer großen Leidenschaft für die Kirche getragen, manche sind auch zornig oder ungeduldig, daß in der Kirche so wenig weitergeht oder daß die Kirche so weit weg ist vom Leben der Menschen, besonders der Jugend“.Aus dem ArbeitsdokumentDas Arbeitsdokument zum Delegiertentag stellt die unterschiedlichen Positionen zur Kirchenreformdebatte dar und bringt dazu jeweils entsprechende Vorschläge zur Meinungsbildung. Wir bringen Beispiele.GeschiedenenpastoralVorschlag 1: Die Delegierten bitten alle, sich noch mehr um das Verständnis der christlichen Ehe zu bemühen und Paare zu begleiten… Wir meinen jedoch, daß die Kirche aus Treue zum Willen Jesu die Unauflöslichkeit der Ehe nicht durch eine Änderung der Lehre und Praxis (z. B. bezüglich des Sakramentenempfangs) verdunkeln kann und darf.Vorschlag 2: Die Delegierten ersuchen die Bischöfe, öffentlich zu bekräftigen, daß niemand das Recht hat, jemanden von der Kommunionbank zurückzuweisen. Sie mögen auch bekräftigen, daß das kirchliche Recht nicht alle menschlichen Situationen adäquat erfassen kann, und daß daher die persönliche Gewissensentscheidung, nach gewissenhafter Prüfung zu Kommunion hintreten zu dürfen, zu respektieren ist.ZölibatVorschlag 1: Die „Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen“ ist gerade in unserer Zeit ein besonderes Zeichen radikaler Nachfolge. Es sollte nicht um seine Abschaffung, sondern um seine erneute Aufwertung gehen. Das Problem des Priestermangels soll nicht durch eine Änderung der Zulassungsbestimmungen behoben werden.Vorschlag 2: Die Sorge um die Menschen und Gemeinden und die Sorge vor der Aushöhlung des Sakramentenverständnisses wiegt schwerer als das Kirchengesetz. Die Delegierten sprechen sich daher für die Zulassung geeigneter verheirateter Männer zur Priesterweihe aus. Die Bischöfe werden gebeten, sich in Rom entschieden dafür einzusetzen.FrauenweiheVorschlag 1: Die Kirche hat keinerlei Vollmacht, Frauen zur Priesterweihe zuzulassen. Die Delegierten bitten, diese Lehre zu respektieren und sie im Glauben anzunehmen.Vorschlag 2: Die Delegierten sprechen sich dafür aus, das Diakonat für die Frauen wiederherzustellen.Wir stellen fest, daß in der Kirche eine Diskussion um das Priesteramt von Frauen stattfindet – trotz der vom Papst als endgültig erklärten Lehre.Das steht im ArbeitsdokumentI. Von Gott gerufen zum Dienst an den Menschen1. Gott suchen – Gott erfahren2. Die Frohe Botschaft heute verkünden (Sprache, Lebenswelt, Pfarre, RU)3. Verantwortung aus Liebe (Sexualethik, Familienplanung …)4. Anspruch und Scheitern. Schuld und Vergebung (Geschiedene, laiisierte Priester…)II. Kirche – Gemeinschaft der Glaubenden5. Kirche – unsere gemeinsame Berufung (Mitverantwortung)6. Berufung und Leben der Priester (Lebenskultur, Zölibat …)7. Frauen in der Kirche (Gleichbehandlung, Weiheämter)8. Kirche als Ortskirche und Weltkirche (Bischofsernennungen, Subsidiarität, Teilhabe)III. Gesellschaftspolitische Herausforderungen9. Kultur des Lebens (Lebensschutz, Ökologie, Sonntag)10. Lebensraum Familie (Familienbegriffe, kinderfreundliche Gesellschaft, Partnerschaft)11. Sozial wirtschaften (Arbeit, Arbeitslosigkeit, Armut …)12. Solidarität kennt keine Grenzen (Flüchtlinge, Europa, Dritte Welt, Schuldenerlaß)Das Arbeitsdokument ist um öS 120 + Porto erhältlich bei: Büro Dialog für Österreich, 1010 Wien, Stzephansplatz 3, Telefon 01/51 552- 3739Fax 01/51 522- 3755