Die Absiedlung der Bewohner vom heutigen Voest-Gelände
Ausgabe: 1998/38, St. Peter, Voest
16.09.1998 - Maria Karl
60 Jahre ist es her, daß das Dorf St. Peter bei Linz von den Nationalsozialisten dem Erdboden gleichgemacht wurde. 4500 Menschen wurden innerhalb kürzester Zeit, in einem Fall sogar innerhalb von zwei Tagen, abgesiedelt, um den Hermann-Göring-Werken Platz zu machen.Die Absiedlung der Bewohner von St. Peter im Jahr 1938 nimmt ein eben erschienenes Buch genauer unter die Lupe - „Mit heißen Wünschen, Hermann Göring“ von Maria Karl und Stefan Kurowski. Der Titel bezieht sich auf einen Eintrag Hermann Görings in das Gästebuch des nach ihm benannten Werks.St. Peter war eine Ortschaft am Stadtrand von Linz, bei den Linzern als Ausflugsziel beliebt. Die dort ansässigen Bauern pflanzten auf ihren Feldern Gemüse an und transportierten es auf von Hunden gezogenen Marktwagen auf den Markt am Linzer Hauptplatz. Neben den Bauern gab es seit den 30er Jahren auf dem Gebiet von St. Peter auch die sogenannten Stadtrandsiedlungen - eine Art Selbsthilfeprojekt, das vor allem Arbeitslosen zugute kam. „Sie gehören an die Wand gestellt“, soll ein Vertreter der Göring-Werke zu einer Bewohnerin von St. Peter gesagt haben, als sie sich gegen ihre Absiedlung zu wehren versuchte. Von weitergehendem Widerstand gegen die Nationalsozialisten und ihre Pläne ist allerdings nichts bekannt. Die noch lebenden Zeitzeugen berichten, daß jeder Angst hatte, vor allem vor dem materiellen Verlust.Auch die Kirche von St. Peter wurde abgerissen. Pfarrer Ludwig Aspöck beklagte sich bitter darüber, daß sich die Göring-Werke nicht bereiterklärten, eine Ersatzkirche außerhalb des Hüttengeländes zu bauen. Die Verhandlungen um die Entschädigung in Geld gestalteten sich zäh. Aus den Aufzeichnungen, die Pfarrer Aspöck für das Pfarrarchiv anfertigte, läßt sich ablesen, daß er sich bedrängt fühlte: „Es war die Zeit, wo ein Priester nach dem anderen ins KZ wanderte.“ Daher gab Aspöck nach und erhielt als Entschädigung rund 66.000 Reichsmark. Auch er stand, wie die vielen anderen Bewohner von St. Peter, vor der Frage: Was tun mit dem Geld? Aspöck entschloß sich, ein Haus in Linz zu kaufen, und zwar von der israelitischen Kultusgemeinde. Das Geld wurde tatsächlich dazu verwendet, Juden die Ausreise zu ermöglichen, und Aspöck setzte sich persönlich dafür ein, daß es voll ausbezahlt wurde und nicht in den Kanälen der Nationalsozialisten versickerte. Dieses Verhalten wurde in den 50er Jahren, im Zuge der sogenannten Rückstellungsverfahren, lobend berücksichtigt. Der Wunsch von Pfarrer Aspöck nach Bau einer Ersatzkirche wurde einige Jahrzehnte später Wirklichkeit mit der Weihe der Pfarre St. Peter am Linzer Spallerhof.Das Buch „Mit heißen Wünschen, Hermann Göring“ von Maria Karl und Stefan Kurowski wird am Freitag, 25. September (19 Uhr) auf dem Werksgelände der Voest in Form einer Nachtreise mit der Werksbahn präsentiert (Einfahrt Werksposten 4, Franckstraße). Während der Nachtreise wird auch ein Film über Zeitzeugen von St. Peter gezeigt. Das Buch ist in der Edition Geschichte der Heimat erschienen, ist reich illustriert und kostet S 298,-.