Können gläubige Menschen besser mit Krankheit umgehen? Sterben Gläubige „leichter“? Es gibt keine eindeutige Antwort auf diese Fragen.Kennen Sie diese Situation? Sie sind mit einigen Freunden oder Bekannten zusammen und unterhalten sich. Plötzlich fällt ein Satz. Er läßt Sie aufhorchen. Das Gespräch geht weiter. Und Sie gehen mit dem Satz nach Hause. Etwas hat Sie angesprochen – nebenbei und nachhaltig . . . Vor Urlaubsbeginn saß ich in einer kleinen Runde von Frauen und Männern. Unser Gespräch führte uns zu Erinnerungen und Erfahrungen eigenen Krankseins. Da meinte eine Frau: „Mir hat damals in meiner Krankheit mein Glaube sehr geholfen.“ „ Nein, das gibt es nicht, der Glaube ist in solchen Situationen keine Hilfe“, antwortete sofort ein Mann aus der Runde. Er begründete seine Antwort und unterstrich noch einmal seine persönliche Überzeugung: „Jemandem, den großes Leid trifft, kann der Glaube keine Stütze sein.“Und ich ging heim mit der Frage: Welche Rolle spielt der Glaube in Zeiten eigener Krankheit, eigenen Leidens? Verändert der Glaube das Leiden? Verändert Leid den Glauben? Auf der Suche nach AntwortenAußerhalb des Krankenhauses werden mir als Krankenhausseelsorgerin immer wieder einmal die Fragen gestellt: „Können gläubige Menschen besser mit ihrer Krankheit umgehen?“ „Sterben gläubige Menschen ,leichter‘?“ Mein Blick wanderte dann in das Krankenhaus. Dorthin, wo ich Antworten auf diese Fragen suche.Ich sehe eine junge Frau vor mir, die ich längere Zeit begleitete. Sie spürte deutlich, wie nahe sie ihrem Tod war. Sie hoffte aber auch nun auf die Treue dessen, der für sie zum Begleiter ihres bisherigen Lebens wurde. Die Frau erlebte, wie sehr ihr Glaube sie über die Klippen der Angst und Verbitterung trug. Ich erinnere mich an eine Frau, die mir im Verlauf der Gespräche ratlos und voll Schrecken vom Einstürzen ihres felsenfesten Glaubens erzählte. Ich denke an einen Mann, der – konfrontiert mit seinem frühen Lebensende – seinen bisherigen Glauben an einen liebenden Gott als eine brutale Täuschung abgab. Und es war dieser Mann, welcher mir nach einigen Wochen sagte: „Wissen Sie, ich glaube, daß Gott nicht für meine Qualen zuständig ist. Dieser Gott ist anders . . .“Der Glaube angesichts von Leid und Tod? Eine so gestellte Frage scheint mir unbeantwortbar. Der Glaube angesichts von Leid und Tod ist immer ihr, ist sein, ist mein Glaube. Werde ich gefragt, zu meinem Glauben, wenn mir Krankheit und mein Sterben begegnen? Ich habe darauf keine Antwort zur Verfügung. Nur eine Hoffnung kann ich mir nennen: Daß mein Glaube (und das ist nicht „mein“ Glaube ) und mein Leiden einander tragen können. Allerdings weiß ich, daß es Frauen und Männer bisher waren und vielleicht daher auch sein werden, die mir dann als stille „Kompagnons“ ihren Glauben von damals zu meinem möglichen legen. Und ich wage zu hoffen, daß dieses Netz mich auffängt, wenn ich zu stürzen beginnen sollte in Untiefen der Verzweiflung. Habe ich da nicht Menschen staunend von etwas erzählen gehört, das wir mit „Gnade“ zu beschreiben versuchen?Wie lange reicht die Kraft, Hiob? Von Martin GutlDu bist begabt,du bist gesund.Du hast Frau und Kinder.Du hast genug zu essen.Du hast einen schönen Besitz.Du konntest unbeschwert beten.Viel loben, viel danken, viel singen!Das Leben wäre ein Loblied geworden.Man hätte gesagt:Beim Hiob hat alles gestimmt!Ein Gott wohlgefälliges Leben!Doch alles kam anders.Unglück, Unfall, Tod.Verlust, Krankheit.Spüren, wie sich die Umwelt wandelt.Die starken Worte der Freunde von einstund ihr kraftloses Geschwätz jetzt.Spüren, wie der Ring immer enger wird.Wie Verheißung um Verheißung,Hoffnung um Hoffnungaufgesaugt werdenvon dem bohrenden, quälenden „Warum“.Warum ich?Du fragst, du klagst.Du forderst Gott selbst heraus.Du hast lange gelitten.Deine Einsamkeit hat dir den Zugang zum Herzen des Unendlichen verschafft.Du kommst seinem Herzen ganz nahe.Was du vernimmst in der Stunde deiner innigsten Gespräche und deiner quälenden Fragen, ist keine Antwort.Du wirst aber verwandelt, von ihm, der mit dir redet.Du beginnst von neuem zu beten,beginnst zu danken.Du hast wieder Mut, dich zu verneigen. Auch dort, wo du mit dem Verstand nichts verstehst.