Aus der Bücherecke: Paul Roth, Dir gehört der Tag. Gebete aus dem Lebe
Ausgabe: 1998/47, Roth
17.11.1998 - Kirchenzeitung der Diözese Linz
Ich will so handeln, wie Verliebte es tunDu hast mich gehörtHerr, heute ist ein Tag,da scheint meine Zunge gelähmt zu seinund meine Seele zu schlafen.Das Gespräch mit dir lockt mich nicht. Ich fürchte, ein solcher Tag ohne Gebet könnte mir gefallen und mir einflüstern:„Zum Beten muß man Lust haben!“Mein Gott, es nicht wahr, daß nur jene Gebetezu deinem Ohr dringen, die uns leicht über die Lippen kommen.Wenn wir nur dann beten würden, wenn wir Lust dazu haben, dann wäre das Gebet wie ein vergnügliches Schwätzchen.Dann wärest du ein bedauernswerter Zuhörer.Darum will ich es gerade heute versuchen. Vielleicht bieten mir die Erlebnisse des Tages Gedanken und Worte für ein Gebet. Mein Versuch ist mißglückt.Lustlos füge ich Worte hintereinander.Ich habe festgefügte Gebetstexte über meine Zunge geschickt.Aber keine Saite meiner Seele hat geklungen.Herr, darum will ich nun so handeln,wie Verliebte es tun,die sich zu bestimmter Stunde verabredet haben;die aufeinander warten,wenn der andere ausbleibt;die einander genug sind,ohne ein Wort zu sprechen.So will auch ich auf dich warten, will dir mein Schweigen schenken.Und ich bin sicher,du hast mich heute gehört und erhört, auch wenn ich kein Wort von direrlauschen konnte.Aus: Paul Roth, Dir gehört der Tag. Gebete aus dem Leben. Graz, Verlag Styria 1998,176 Seiten, 218,-.