Ein Seelsorgeraum sollte mit Leben erfüllt werden, als im Jahr 1084 in den Innauen Stift Reichersberg gegründet wurde. Geistliche wie wirtschaftliche Impulse sollten in gleicher Weise den Landstrich zum – wie es alttestamentlich heißt – gesegneten Land machen. Wie am Anfang, so geht es auch am Ende des zweiten Jahrtausends um das Thema der Seelsorgeräume. Die Augustiner Chorherren waren von Anfang an darauf spezialisiert: Als eine Art Weltpriestervereinigung ging es ihnen um die Pfarrseelsorge in einer Region. Das Stift Reichersberg blieb über nun mehr als 900 Jahre verbindende Einheit der Pfarren im Raum. Ein Stift in der Mitte zu haben, ist für die kleine Pfarre Reichersberg mit 670 Katholiken ein Glücksfall. Eine Pfarre dieser Größe hätte sonst kaum einen eigenen Seelsorger. Neben Reichersberg gehören Münsteuer, Ort und Lambrechten zu den Stiftspfarren. Antiesenhofen, Kirchdorf am Inn, Utzenaich und Geinberg werden als Weltkirchepfarren ebenfalls von Reichersgberger Chorherren betreut. Dazu kommen sieben weit entfernt gelegene Pfarren in der Erzdiözese Wien. Die Verbindung mit den Mitbrüdern zu halten, ist Aufgabe des Propstes und Pfarrers von Reichersberg, Prälat Eberhard Vollnhofer, der somit zu den wohl meistgereisten Äbten in Österreich gehört.
Steckbrief Die Wellen des Innflusses und der Flügel – entnommen aus dem Stiftswappen – sind die tragenden Motive des Gemeindewappens von Reichersberg. Dieser Flügel erinnert an die Klostergründung durch Wernher von Reichersberg und seiner Frau Dietburga im Jahr 1084.Das Stift hat auch wirtschaftliche Krisenzeiten erlebt, so nach einem Kirchenbrand im Jahr 1624. Nach dem ersten Weltkrieg hatte Reichersberg ebenfalls eine sehr schwierige Zeit. Die Ablöse der Gründe in den Innauen für das Kraftwerk St. Florian am Inn brachten die wirtschaftliche Rettung.Um die Arbeitspläzte ist es in der Region nicht zum besten bestellt. In Ranshofen wurden zwei größere Betriebe geschlossen, so die Schifabrik Hagan. Im Ort gibt es die Volksschule. Hauptschüler fahren nach Obernberg. Die Gymnasiasten pendeln nach Ried oder nach Schärding zum Unterricht. Das Stift selbst war und ist ein wichtiger Arbeitgeber, wenngleich die früher stiftseigenen landwirtschaftlichen Flächen seit drei Jahrzehnten verpachtet sind.
15000 Gäste im Jahr Die Nummerntafeln der Autos auf dem Marktplatz geben Auskunft. Viele Gäste aus den umliegenden Bezirken, aber auch von jenseits des Inn, suchen das Stift Reichersberg auf. Vor allem sind es Tagesgäste, die aus den naheliegenden Bäderzentren hierherkommen. Neben der eigentlichen Pfarrseelsorge nehmen die Chorherren die Betreuung dieser Gäste sehr wichtig. Stiftsführungen machen sie, wann immer es geht, selber. So sollen die Gäste etwas von der Spiritualität des Klosters mitbekommen. Mit 15.000 Menschen im Jahr kommen die Chorherren in Kontakt. In gleicher Weise nehmen sich die Chorherren um die Gäste im Kursbetrieb des Bildungshauses im Stift an. Von musisch-kreativer Betätigung bis zur Lebensbegleitung reicht das Angebot. Rund 2000 Leute kommen so im Jahr ins Stift. Ebenso ziehen die Ausstellungen Leute an.„Bei uns ist kein Platzmangel in der Kirche“, meint Pfarrkirchenratsobmann Dr. Albert Zeilinger. Anders ist es an den hohen Festtagen mit besonderer Gottesdienstgestaltung: Da ist die Kirche übervoll; es kommen auch die Leute „von drüben“. Ein, zwei Busse aus dem Bäderzentrum Bad Füssing sind zum Beispiel bei der Christmette stets da. Die Chorvereinigung Reichersberg trägt sehr zu dieser festlichen Gestaltung bei. Vielleicht, meint Dr. Zeilinger, verlassen sich die Reichersberger zu sehr auf die Tatsache, daß sich das Stift ja um die wichtigen Dinge in der Pfarre kümmert. So würde er sich wünschen, daß sich die Leute nicht nur auf den Chor verlassen, sondern selbst einen kräftigeren Volksgesang zustande bringen. Stift und Pfarre, das braucht auch gegenseitige Rücksichtnahme, damit man sich mit den jeweiligen Erfordernissen nicht in die Quere kommt – bei den Gottesdienstzeiten zum Beispiel. Der Vorteil: „Daß wir einen Pfarrer haben, darum brauchen wir uns sicher noch länger keine Sorgen zu machen“, meint Dr. Zeilinger.Frauenbewegung, Männerbewegung und Bildungswerk sind die drei tragenden Säulen des Einsatzes von Laien in der Pfarre Reichersberg. Eine Jugendgruppe gibt es, allerdings – so Pfarrer Vollnhofer – es bräuchte eine engagierte Person, die sich darum kümmert. Wenn Kinder und Jugendliche ab dem Hauptschulalter auspendeln, bringt das für Jugendarbeit im traditionellen Stil Schwierigkeiten mit sich.
Reichersberger Spezialitäten Seit fast 30 Jahren gibt es das „Reichersberger Priestertreffen“. Es soll den Kontakt unter Seelsorgern im Innviertel und im angrenzenden Bayern fördern. Nach einem Vortrag und einer Vesper trifft man sich in der Stifts-Gastschenke.
Die ruhige Atmosphäre der Gegend und des Stiftes haben auch die Politiker entdeckt. Das Treffen der ÖVP Oberösterreich bei den „Reichersberger Pfingstgesprächen“ ist inzwischen ebenfalls Tradition geworden. Heuer wird der bekannte katholische Sozialethiker Univ. Prof. Dr. Schasching referieren.
Reichersberger Sommer Mit einem sehr umfangreichen religiösen und kulturellen Programm lädt der „Reichersberger Sommer“ ein, sich aus den Spähren des Alltags ein Stück herauszulösen. Pontifikalämter zu den Hochfesten, aber auch viele Konzerte und Ausstellungen stehen auf dem Terminkalender. (Die jeweiligen Termine erfahren Sie rechtzeitig auf unseren Terminseiten). Beim Klostermarkt – heuer vom 11. bis 13. Juni – werden Produkte aus verschiedenen Klosterbetrieben angeboten. Das Jahr über sind solche Produkte auch in der „Vinothek“ im Stift erhältlich.
Reichersberger Zeitmarken Im Jahr 1996 starteten die ersten „Reichersberger Zeitmarken“. Der Linzer Ethiker Univ.- Professor Dr. Helmut Renöckl und der bekannte, aus dem Innviertel stammende Publizist Dr. Hubert Feichtlbauer standen an der Wiege dieser nun jährlichen Veranstaltung, die bewußt Zukunftsthemen aufgreift. Eine Stiftszeitung unter dem selben Titel informiert die Freunde von Reichersberg über das Geschehen und die Angebote im Stift. Dazu kommt der „Reichersberger Pfarrbote“, der für die Pfarre selbst da ist.