Ob Patriarch oder jovialer Freizeitvater: für die Entwicklung eines reifen Gottesbildes sind beide Verhaltensmuster nicht besonders hilfreich.
In den Mittelpunkt des letzten der drei Vorbereitungsjahre zum Jahrtausendjubiläum hat Papst Johannes Paul Gott, den Vater, gestellt. An einer wesentlichen Stelle seines Schreibens „Tertio millennio anveniente“ führt er dabei den 1. Johannesbrief auf und zitiert: „Gott ist die Liebe“ als eine Art programmatische Zusammenfassung. Beim Lesen des Textes fiel mir dazu spontan ein schon einige Jahre zurückliegendes Gespräch mit einem Jugendlichen ein. Der Bursch meinte, daß er unmöglich daran glauben und nichts damit anfangen könne, daß Gott wie ein liebender Vater sei. Er hatte seinen Vater entweder abwesend oder gewalttätig erlebt.
In diesem Zusammenhang läßt auch ein Ergebnis des von der Katholischen Jungschar Österreichs herausgegebenen Berichtes zur Lage der Kinder 1998 aufhorchen. Viele Väter, so heißt es da, kennen die Sorgen und Nöte ihrer Kinder nur aus „zweiter Hand“, vom „Hörensagen“, nicht von ihren Kindern selber. Heute dominierend, so die Jungscharstudie, sei das Muster des Freizeitvaters, der sich sozusagen die Rosinen herauspickt und vornehmlich als der große Spielkamerad und Animateur in Erscheinung tritt.
Übervater oder Sunnyboy
Erst kürzlich sagten bei einer Studie in der Steiermark 58 Prozent der Befragten, daß für sie die Väter bei der Glaubensweitergabe wichtig waren. Da gerade in der Familie die „Glaubensschule“ vorwiegend über das Zeugnis erfolgt, hat das Verhalten des Vaters einen wesentlichen Einfluß auf die religiöse Entwicklung des Kindes. Wie Kinder und Jugendliche Gott als „unseren Vater“ sehen, hängt häufig eng mit dem Bild zusammen, das sie vom eigenen Vater haben, wie sie sein Handeln erfahren. In dem viel zu lange „gelehrten“ Gottesbild vom „großen Patriarchen“, der über alles wacht, alles sieht und vor dem man Angst haben müsse, spiegelt sich das Rollenbild vom patriarchalen Familienoberhaupt wider. Auch das Bild des Freizeitvaters ließe sich theologisch auf eine Art „Freizeitgott“ umwenden, einen Gott, der sich die Sternstunden des Menschen aussucht und vornehmlich im Wohlergehen und Wohlstand erfahrbar wird.
Beide Bilder halte ich für schwerwiegende Verkürzungen. Ihnen entgegen möchte ich das Bild des emphatischen, des mitleidenden und mitgehenden Gottes stellen, des Gottes, der die Sorgen und Freuden mit den Menschen teilt. In vielen Erfahrungen und Bildern (vom Exodus bis zu den Gleichnissen Jesu) schildert uns die Bibel Gott als einen, der in radikaler Not zu seinen „Kindern“ steht, der mit ihnen mitleidet, der die Schreie seiner Kinder hört und sich mit ihnen auf dem Weg zu „einem Leben in Fülle“ macht. Von Jesus wurde uns Gott als ein liebevoller Vater verkündet, der sich seiner Kinder annimmt, der um ihre Sorgen und Nöte weiß und sie auch in dunklen Stunden nicht verläßt.
Wenn die Vermittlung eines derartigen Gottesbildes mein Anliegen ist, dann heißt das für mich als Vater in erster Linie, jene Anteilnahme auch zu leben. Konkret meine ich damit, daß ich im alltäglichen Leben meines Kindes da bin, eben nicht nur als einer, dessen Anwesenheit zu allen heiligen Zeiten wahrgenommen werden kann. Weiters bedeutet dies auch, daß diese Anwesenheit geprägt ist von einem Ernstnehmen der Gefühle des Kindes. Nur so läßt sich langfristig eine Vertrauensbasis aufbauen, die dem Kind ermöglicht, mit allen Sorgen und Problemen auch zum Vater zu kommen. Und es bedeutet einen partnerschaftlichen Umgang, dem jede Form von Gewalt (physischer wie auch psychischer) fremd ist. Jene Liebe, von der im 1. Johannesbrief die Rede ist, muß im konkreten zwischenmenschlichen Leben spürbar werden. Nur so wird es gelingen, letztlich von der Liebe Gottes, des Vaters, Zeugnis abzulegen.
Wenn wir Männer uns damit oft schwer tun, diese Liebe zu zeigen, dann kann uns vielleicht gerade der bevorstehende Vatertag Gelegenheit und Ansporn sein, über unsere Rolle und Aufgabe(n) als Väter nachzudenken – vor allem aber die Liebe zu leben.
Kinder brauchen Väter
Im Zusammenhang mit der Bedeutung von „anwesenden Vätern“ für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ist es mir wichtig, auch auf die gesellschaftspolitische Dimension hinzuweisen. Nur knapp zwei Prozent der Väter nutzen die Möglichkeit, in Karenz zu gehen. Der Großteil der Erziehungsarbeit wird nach wie vor nur unter geringer Beteiligung der Väter durch die Mütter geleistet. Das liegt nicht nur daran, daß es den „neuen Mann“ realiter noch selten gibt, sondern hat auch handfeste (finanzielle) Gründe. Hier ist die Politik gefordert, Wege und Modelle zu entwickeln, die eine tatsächliche partnerschaftliche Teilung von Erziehungsarbeit und Familienarbeit möglich machen. Kinder brauchen ihre Väter – wir sollten sie ihnen geben!