Der Ruf nach einer neuen Verfassung der Kirche wird immer lauter, nicht zuletzt in Österreich.Die Mißstände, über die geklagt wird, wie Ernennung der Bischöfe ohne Befragung des Volkes, weitgehende Rechtlosigkeit der Laien, die mehr als 99 Prozent des Kirchenvolkes darstellen, Diskriminierung der Frau, sind in der Verfassung der Kirche begründet. Ein Entgegenkommen in Einzelfällen (wie die Kommunionspendung durch Laien, vor fünfzig Jahren noch unvorstellbar) bleibt Flickwerk, das die Grundübel nicht beseitigt.Zu den Stolpersteinen, die bleiben, gehört vor allem, daß die Jüngerschaft Jesu im Widerspruch zum Evangelium hierarchisch organisiert ist. Sie besteht aus zwei Klassen oder Ständen: Geweihten (Papst, Bischöfe, Priester, Diakone) und Nicht-Geweihten (Laien). Der erste Stand ist mit Privilegien ausgestattet, der zweite hat Pflichten zu erfüllen.
Alle Ämter hat die Kirche geschaffen
Warum hat man diese Kirchenverfassung nicht schon längst geändert, nachdem immer sichtbarer wurde, daß sie im Widerspruch zum Evangelium steht und den Bedürfnissen unserer Zeit nicht mehr gerecht wird? Der Hauptgrund war, daß man die gegenwärtigen Kirchenstrukturen als von Jesus gewollt und eingesetzt betrachtete. Wenn dem so war, konnte daran niemals etwas verändert werden.Heute sind sich alle Theologen – auch die im übrigen eher traditionell denkenden – darin einig, daß Jesus keine Kirche gründen wollte. Noch weniger konnte er somit bestimmte Kirchenstrukturen ins Auge fassen. Vielmehr haben sich die verschiedenen Gemeinden – etwa die paulinischen, die matthäischen, die johanneischen – nach verschiedenen Mustern organisiert. Daß es dabei zur Entwicklung von Ämterstrukturen kommen mußte, war unvermeidlich. Aber die Ämter richteten sich – und das sollte auch heute so sein – nach den Bedürfnissen der Gemeinden und nicht umgekehrt.
Zweiständekirche
Die Herausbildung von Ämterstrukturen hatte in der Folge aber auch einen verhängnisvollen Aspekt. Mit dem 3. Jahrhundert setzt eine Entwicklung ein, wonach es für die Feier der Eucharistie einer Weihe bedarf, und bald gilt dies auch für den Inhaber des kirchlichen Amtes überhaupt. Damit ist die heutige Zweiständekirche grundgelegt.
Die Weihe gilt dem Amt
Freilich hat diese Weihe zunächst nichts mit der Priesterweihe in unserem Sinn zu tun. Sie gilt dem Amt und nicht der Person. Bei Abgabe des Amtes erlischt sie auch wieder. Die persönliche Priesterweihe mit ihrem „unauslöschlichen Merkmal“ kommt im 5. Jahrhundert auf. Damit ergeben sich für uns heute zwei wichtige Folgerungen:Erstens: Wenn zweihundert Jahre lang „Laien“ der Eucharistie vorstehen konnten, müßte dies auch heute möglich sein.Und zweitens: Wenn nicht Jesus, sondern die Kirche die Ämter geschaffen hat, kann die Kirche sie auch reformieren: Sie kann sie erhalten, verändern oder abschaffen, je nachdem, wie es die Bedürfnisse unserer Zeit erfordern. Sie kann aber auch neue, zeitgemäßere Ämter schaffen.
Zum Weiterdenken
Ist Kirche in ihrer jetzigen Verfassung überlebensfähig? Wie kann eine Verwandlung der Kirche von innen heute geschehen? Was wollte Jesus? – Und was tut die Kirche? Welche Impulse aus der Bibel können der Kirche weiterhelfen?
- Schreiben Sie uns Ihre Meinung zu diesen Impulsfragen oder einen Leserbrief zur Serie„Stolpersteine in der Bibel“. Redaktion Kirchenzeitung, Kapuzinerstraße 84, 4020 Linz.
Stolpersteine im InternetIn der Homepage der Kirchenzeitung finden Sie die aktuelle Serie. Adresse: www.dioezese-linz.ar.at/Kirchenzeitung.