Die letzten Nächte war Sarah Bergsmann oft am Linzer Bahnhof und hat durchreisenden Flüchtlingen geholfen. Was die 18-jährige Linzerin erlebt hat, erzählte sie der KirchenZeitung.
Du hilfst Flüchtlingen durch deinen persönlichen Einsatz. Was ist dein Antrieb? Sarah Bergsmann: Mir ist es ein Anliegen, direkt zu helfen, Begegnung zu erleben. Ich mache mir gerne selbst ein Bild von der Lage. Ich stehe jetzt mittendrinnen, da, wo etwas passiert, und das ist ein gutes Gefühl. Irgendwie – wenn man anfängt, will man immer weitermachen, es sind wirklich auch viele gute Erlebnisse. Man profitiert selbst extrem davon.
Zu helfen, sich zu engagieren ist für dich normal? Bergsmann: Ich muss sagen, dass in meinem Freundeskreis viele sozial sehr engagierte Leute sind. Eine Freundin von mir ist zum Beispiel in der Türkei und macht dort Flüchtlingshilfe, andere helfen in Linzer Flüchtlingsheimen.
Wie geht es dir damit, wenn so viele Menschen auf einmal Hilfe brauchen? Bergsmann: Es war für mich beim ersten Mal schon gewaltig, wenn die riesige Menschenmenge auf dich zukommt, mit vielen Kindern, die weinen. Es ist wie bei einem Schiffbruch, die Geretteten fallen dir entgegen. Sie sind erschöpft von der langen Reise. Da schluckt man als Helfer zuerst einmal schon und überlegt, wie fange ich an und wo fange ich an. Und dann führst du die erste Partie zu den Betten. Und dann geht es schon.
Welche Tätigkeiten machst du genau? Bergsmann: Ich springe in allen Bereichen umher, helfe, wo es gerade nötig ist. Von der Essensausgabe bis zum Bad- und Kloputzen. Eine weitere Aufgabe ist das Übersetzen. Wir haben einen Haufen Dolmetscher, die erst vor ein paar Monaten hierher geflohen sind. Die reden mit den Leuten übersetzen mir auf Englisch, ich gebe das weiter auf Deutsch, weil das am schnellsten geht.
Welche Fragen stellen dir die Flüchtlinge häufig? Bergsmann: Gibt es einen Arzt, können wir uns durchchecken lassen? Besonders um ihre Kinder sind sie sehr besorgt. Viele brauchen neue Schuhe und neue T-Shirts.
Letzte Nacht hat mich eine ältere Frau gefragt, ob man in Österreich auch so gut leben kann wie in Deutschland. Das passiert mittlerweile immer öfter, dass Flüchtlinge in Österreich bleiben wollen. Aufgrund der Grenzschließungen müssen sie über andere Perspektiven nachdenken. Und es wird immer kälter, die Weiterreise damit immer schwieriger.
Wie erlebst du den Kontakt mit den Flüchtlingen? Bergsmann: Die meisten Flüchtlinge sind erstaunlich gut gelaunt und freundlich. Teilweise sind es wirklich lange Gespräche, die sich ergeben. Viele Frauen fragen mich, ob ich denn nicht verheiratet bin. Ich bin bei den Nachtdiensten die einzige weibliche Helferin unter 20 Burschen, das schaut sehr ungewohnt aus für die meisten Flüchtlinge.
Stellst du die Frage, wieso sie geflohen sind? Bergsmann: Mit den Flüchtlingen, die schon länger da sind und jetzt selbst helfen, habe ich schon über ihre Fluchtgründe gesprochen. Es ist immer der Krieg schuld. Ich habe schon schlimme Geschichten gehört, wie zum Beispiel von einem Iraker, der selbst Kindersoldat war und mit zwei Schusswunden herumläuft.
Wie sehr zehrt die Hilfe in den Nächten an deinen Kräften? Bergsmann: Es ist schon kräfteaufreibend, aber nach so einer Nacht fühle ich mich nicht wirklich müde. Wir Helfer motivieren uns gegenseitig. Die Einsatzleiter kümmern sich gut um die Freiwilligen.
Was musst du momentan hintenanstellen für die Einsätze? Bergsmann: Bei mir ist es ehrlich gesagt der Haushalt, was auch meine Mama beklagt. Aber sie versteht mein Engagement und unterstützt mich sehr.
Du wirst ab Oktober mit dem Studium beginnen. Wie geht es mit deinem Engagement weiter? Bergsmann: Ich gehe nach Wien Jus studieren und ich weiß: Ich muss weiterhelfen, werde dort etwas tun.
Machst du dir Sorgen wegen der Zukunft? Bergsmann: Ein bisschen Angst hab ich schon, weil ich mir denke: Wie geht es weiter? Wird es hier einmal zu einem Engpass bei den Helfer/innen oder den Lebensmittelspenden kommen? Denn eins ist sicher: Der Flüchtlingsstrom wird nicht abreißen.