Womit sich liberale Katholiken schwer tun und wie Meinungsfreiheit und Kirche zusammenpassen, weiß Stefanie Hinterleitner, die vier Jahre lang im Vorsitzendenteam der Katholischen Jugend war.
Vor fünf Jahren ist mit „Hallo Rom“ ein Protestsong der Katholischen Jugend an den Vatikan geschickt worden. Wie erinnerst du dich an diese Zeit, du hast ja selbst aktiv mitgemacht? Stefanie Hinterleitner: Für mich war es so, dass ich erlebt habe, dass Kirche sehr politisch sein kann. Wenn man Kritik übt, heißt es, dass einem die Kirche nicht egal ist. Das ist wie in einer Liebesbeziehung. Wenn man nicht mehr streitet, dann ist es eigentlich aus.
Du willst nicht zu viel jammern und engagierst dich lieber, hast du einmal gesagt. Heißt dass, in der Kritik darf man dann nicht verharren? Hinterleitner: Genau, es gibt eine Zeit der Kritik und eine Zeit des Gestaltens. Wenn man nur kritisiert, bringt es nichts, und man wird dann nicht mehr ernst genommen.
Braucht es gerade jetzt, wo die Synode läuft, dennoch wieder eine deutlich formulierte Kritik von der Katholischen Jugend? Hinterleitner: Wir versuchen das immer wieder, es ist aber mehr durch unser Tun, das nach außen zu tragen. Bei uns in der Katholischen Jugend sind Mann und Frau gleichgestellt. In Bezug auf Sexualität haben wir auch eine sehr offene Botschaft.
Der Zugang ist weniger dogmatisch, könnte man sagen? Hinterleitner: Uns sind andere Werte wichtig, wie eben verantwortungsvoller Umgang mit Sexualität. Wir versuchen, uns vor allem am Evangelium zu orientieren, ein Leben in Fülle zu ermöglichen und kein Leben in Zwängen. Das steht manchmal im Kontrast zur Lehre der Kirche. Die ist aber geschichtlich gewachsen. Man muss schauen, warum sind manche Lehrsätze so. Für eine gewisse Zeit haben sie gepasst. Aber die Welt verändert sich ständig.
Passen Meinungsfreiheit und katholische Kirche zusammen? Hinterleitner: Natürlich, sonst wäre die katholische Kirche eine Diktatur. Das geht am Wesen von Glauben und Kirche vorbei.
Sollte die katholische Kirche eher wie eine Demokratie funktionieren? Hinterleitner: Kirche ist schon etwas anderes, weil sie im Spannungsfeld zwischen Gott und der Welt steht. Aber man sollte keinem den Mund verbieten. Zumindest die Meinung muss man sagen dürfen.
Konservative Kardinäle haben sich im Vorfeld der Familiensynode deutlich in Stellung gebracht. Tun sich die leichter damit als die liberaleren Kräfte? Hinterleitner: Ja, weil sie ihren Standpunkt haben, von dem sie nicht abrücken wollen. Die andere, liberale Seite versucht allen gerecht zu werden und das ist natürlich schwieriger.
Hast du Hoffnung auf Veränderungen durch die Synode? Hinterleitner: Ich erwarte mir, dass gut auf die Lebensrealitäten hingeschaut wird. Gerade bei dem Thema Geschieden-Wiederverheiratete hoffe ich, dass die Kirche erkennt, dass Beziehungen leider auch scheitern können.
Und wenn gar nichts passiert durch die Synode? Hinterleitner: Dann wäre das eine vertane Zeit der Bischöfe, das glaube ich aber nicht. Der Papst ist dahinter, dass etwas passiert. Er hat viel reformorientierte Leute eingeladen.
Sind Gesellschaft und der Vatikan parallele Welten? Hinterleitner: Ein bisschen schon, aber ich glaube, dass der Papst da immer wieder ausbrechen kann. Das merke ich auch bei Jugendlichen, die sagen: „Die Kirche ist altmodisch, aber der Papst ist eh cool.“ Franziskus hat hier eine Gabe, auf Menschen einzugehen und zu schauen, was sie betrifft.
Homosexualität ist ein besonders heißes Eisen. Das Outing des hochrangigen polnischen Priesters Charamsa vor der Synode hat hohe Wellen geschlagen. Wie stehst du dazu? Hinterleitner: Ich finde, in erster Linie ist einmal der Mensch zu sehen und nicht seine sexuelle Orientierung. Wie der Vatikan verfahren ist mit dem Priester, dass er aller Ämter enthoben wurde, finde ich unbarmherzig. Ich persönlich finde die Lehre problematisch, dass man homosexuell sein kann, es aber nicht ausleben darf. Das geht am menschlichen Leben vorbei. Sexualität kann man nicht verbieten.
Wäre es wünschenswert, dass homosexuelle Paare den kirchlichen Segen bekommen? Hinterleitner: Ich würde das schon befürworten.
Wenn das Interview erscheint, hast du deine Funktion als ehrenamtliche Vorsitzende bereits zurückgelegt. Dein Resümee ... Hinterleitner: Den jungen Geist der Katholischen Jugend zu vermitteln war und ist mir ganz wichtig. Ich habe in den Pfarren bei Vorträgen viel über meinen Glauben geredet. Es war eine spannende Zeit, ich habe viel mitgestalten dürfen, ich werde mich weiterhin engagieren, aber nicht mehr an vorderster Front.