Serie: Symbole – Bilder der Seele des Menschen (1)
Ausgabe: 2000/03, Ring
18.01.2000
- Brigitte Huemer
Kennen Sie diese Geschichte: Zwei Freunde trennen sich für lange Zeit. Sie teilen miteinander ein Zeichen, einen zerbrochenen Ring. Es wird lange dauern, bis sie sich wieder treffen, vieles wird im Leben der beiden geschehen. Und vielleicht werden es auch erst ihre Kinder sein, die sich eines Tages begegnen werden. Die beiden Teile des Ringes aber sind ein sicheres Zeichen des Erkennens und Wiedererkennens.
Was ist das eigentlich, ein Symbol? Um das Zerbrechen des Ringes und das Zusammenfügen der beiden Teile ereignet sich „Geschichte“. Und genau diese „Geschichte“, eingefügt in den scheinbar nicht vorhandenen Raum zwischen den sich lückenlos aneinander fügenden Bruchrändern des Ringes lässt aus dem Erkennungszeichen ein Symbol werden. Ein Ding, ein Lebewesen oder auch eine Handlung werden zum Symbol, indem wir dieses „Mehr“ als das bloß Vordergründige als wesentlich ansehen. Viele Symbole sind wie Worte einer Sprache, die in vielen Kulturen und Religionen gesprochen und verstanden werden. Der Ring als Symbol, als „ein Zeichen für“ Liebe und Treue, die wie der Ring kein Ende haben sollen, ist ein gutes Beispiel dafür.
Bei den Griechen und Römern war das Tragen eines Ringes das Zeichen des freien Bürgers (im Gegensatz zum Sklaven). Später wurde der Ring als Siegelring zum Zeichen für jemanden, der über einen bestimmten Besitz verfügen konnte oder politische Macht besaß. Einen Ring dieser Art gab der ägyptische Pharao dem Josef (Gen 41, 42). Und der Vater steckte dem verloren geglaubten Sohn bei seiner Heimkehr einen Ring an den Finger (Lk 15, 22).
Neben den allgemein verstehbaren Worten aus der Symbolsprache im Alltag und im Religiösen gibt es aber auch ganz persönliche Symbole, deren Bedeutung nur ich kenne. Der schwarze Ring, den ich trage, ist aus einer kleinen Palmnuss geschnitzt. Ich habe ihn gegen Ende eines mehrmonatigen Aufenthaltes in Brasilien an meinen Finger gesteckt. Jeden Tag erinnert er mich neu daran, was ich gesehen und erlebt habe und das Ziel, ein Leben in Gerechtigkeit für alle Menschen, nicht aus den Augen zu verlieren.