Im Kalender liegen sie ganz eng beisammen in diesem Jahr: Sonntag und Nationalfeiertag. Papst Gregor VIII., dem wir den heutigen Kalender verdanken, wird es nicht bewusst gewesen sein. Im 16. Jahrhundert konnte er keine Ahnung vom späteren österreichischen Nationalfeiertag am 26. Oktober haben. Trotzdem, es ist, als hätte er uns sagen wollen: Achtet darauf, dass der Graben nicht zu breit wird zwischen eurem Christsein und eurem bürgerlichen Selbstverständnis. Klar. Von der Bibel her, als Gläubige also, da müsste man jedem Menschen gegenüber barmherzig sein. Aber im wirklichen Leben, in der Realpolitik, im Berufs- und Geschäftsleben, da geht es halt nicht. Das sogenannte wirkliche Leben behält die Oberhand – und wird so zum verwirklichten Leben. Die Abstriche macht man auf der Seite des Ideals. Es geht halt nicht anders. Gott wird Verständnis haben. Und trotzdem: Es gibt sie. Menschen, die ihr Christ- und Bürgersein als ein und dasselbe begreifen – und wagen. Leute, die ihrem Gewissen folgen. Sogar unter Politikerinnen und Politikern gibt es sie. Da wird dann Christsein zu wirklichem Leben. Am Sonntag, am Montag. Im Herzen, im Tun.