08.03.2000 - Kirchenzeitung der Diözese Linz, Nora Bösch
Der Trend der Zeit heißt: immer mehr, immer lauter, immer schneller. – Da gibt es aber auch die Gegenbewegung: die Suche nach Ruhe, Stille, Langsamkeit, Sinn.
Darum geht es bei unserer Reihe zur Fastenzeit. Sich ein paar Wochen lang jeden Tag Zeit nehmen, um Gott mit allen Sinnen näher zu kommen. Unsere Sinne – hören, sehen, riechen, schmecken, spüren – sind uns selbstverständlich, und doch liegt in ihnen ein ungeahnter Reichtum verborgen, den es bewusst wahrzunehmen gilt.
Die Zwischentöne hören
Das Hören öffnet uns den Zugang zu den anderen Menschen. Wer nicht hören kann, ist völlig isoliert von den anderen. Er kann nicht nur keine Worte hören, sondern ist meist auch im Sprechen eingeschränkt. Misstrauen macht sich breit, weil er an der Welt der Hörenden keinen Anteil hat. Hören kann in diesen Tagen noch eine andere Wertigkeit bekommen. Es geht nicht nur um das äußerliche Hören, sondern auch um das Hören der Zwischentöne. Dazu reicht es nicht mehr, einfach die Ohren zu spitzen, sondern dazu müssen wir unsere Herzensohren auftun, um wahrzunehmen, was der oder die andere mir wirklich sagen möchte. In einem ganz einfachen Gespräch kann da manches verborgen sein. Inneres Still-werden brauchen wir auch, damit wir die leise Stimme Gottes hören können. Viele haben die Erfahrung gemacht, dass es nicht reicht, einfach ruhig zu sein. Die Stille muss sich in das Herz senken, damit das innere Ohr offen wird für Seine leisen Worte. Das gelingt oft nicht von heute auf morgen und macht ungeduldig, weil Er ja scheinbar doch nicht zu hören ist. Es braucht hier ein Einüben ins Still-werden.
Meine stille Zeit
Meine stille ZeitEine halbe Stunde Stille erleben. Wann geht das schon? Und überhaupt: Was soll das? Was könnte ich da nicht alles erledigen!
Gönnen Sie sich den Luxus! Versuchen Sie während der kommenden Wochen, jeden Tag eine halbe Stunde Stille zu halten. Die Einübung in diese Stille ist schwierig, alle möglichen Gedanken drängen sich auf, werden im Inneren laut. So unwahrscheinlich es klingen mag, aber es kann im bewussten Hinhören auf das Laute eine innere Stille entstehen. Denken Sie an den Propheten Elija: Er sitzt da und wartet, dass er Gott hört. Er hört hin auf den Sturm, das Erdbeben, das Feuer – und findet Gott nicht. Dann hört er es: Ein stilles, leises Säuseln, und darin ist der Herr. Setzen Sie sich auch einmal hin und versuchen Sie aufmerksam zu sein auf die Geräusche, die an Ihr Ohr dringen. Vielleicht sind da Autos, die vorbeifahren, das Ticken der Uhr, Geräusche eines Hausbaus, Gezwitscher der Vögel. Versuchen Sie, diese Geräusche da sein zu lassen, ohne Ärger, wenn diese Sie – vielleicht schon wieder – von der stillen Zeit abhalten. Im Zulassen öffnen Sie einen Raum für Ihr inneres Ohr.Sie können auch versuchen, bewusst ein Geräusch zu erzeugen, z. B. mit einer Stimmgabel oder einer Klangschale. Schlagen Sie den Ton an und versuchen Sie ihm zu folgen, bis er nicht mehr zu hören ist. Wenn Sie dies ein paar Mal tun, werden Sie merken, wie sich eine innere Stille in Ihnen ausbreitet.
Das Hinhören einüben
Viele Geräusche, mit denen wir tagtäglich leben, die von früh bis spät auf uns eindringen, nehmen wir kaum wahr. Versuchen Sie diese Woche, sich in bewusstem Hinhören zu üben, Nebengeräusche wahrzunehmen, die wir sonst einfach ausblenden. Nehmen Sie wahr, was das Hören und das Gehörte in Ihnen auslöst. Vielleicht hören Sie ganz bewusst auf die Stimme von vertrauten Menschen, auf die leisen Zwischentöne in Gesprächen. Hören Sie aufmerksam auf einen guten Text oder ein Wort der Bibel. Tun Sie Ihrem Ohr etwas Gutes und lauschen Sie zarter Musik.