Moderne Vorbilder wachen über dem Eingang zur Westminster Abbey
Ausgabe: 2000/16, Märtyrer
18.04.2000 - Kirchenzeitung der Diözese Linz, Walter Achleitner/Ray Hearn
Jahrhunderte lang standen die Nischen über dem Eingang zur Westminster Abbey in London leer. Nun staunen die Besucher der Krönungskirche über die Statuen von Menschen des 20. Jahrhunderts.
Sie zählt zum Weltkulturerbe der Menschheit: die Westminster Abbey und ihre Westfront. Die gotische Basilika aus dem 15. Jahrhundert mit den Türmen aus dem 18. Jahrhundert. Und seit dem 8. Juni 1998 vervollständigen zehn lebensgroße Figuren christlicher Märtyrer aus dem 20. Jahrhundert die letzten noch offenen Nischen über dem Westportal.
„Wir wollten mit dieser Entscheidung eine Botschaft verkünden“, meint Dr. Anthony Harvey, stellvertretender Dekan der Westminster Abbey. „Eine Botschaft, der sich viele Menschen nicht bewusst sind: das 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert des christlichen Martyriums.“Deshalb wurde nach Abschluss der 25-jährigen Restaurierungsarbeiten am Gotteshauses Tim Crawley mit dem Entwurf der Statuen beauftragt. Es wurde darauf geachtet, dass sowohl Frauen und Männer aller Kontinente als auch verschiedener christlicher Kirchen vertreten sind.
Elisabeth von Russland steht für das Zeitalter der Revolution. Verheiratet mit einem Sohn Zar Alexanders II., widmete die Witwe ihr Leben den Armen. Sie wurde 1918 von den Bolschewiken ermordet und 1992 als Heilige vom Patriarchat in Moskau anerkannt.
Weltweit einzigartig
Der berühmteste unter den Märtyrern ist wohl Martin Luther King. Der 39-jährige Pastor und Friedensnobelpreisträger wurde mit seinen Visionen und seinem gewaltfreien Engagement zum prophetischen Führer über den Tag der Ermordung am 4. April 1968 hinaus. Ebenfalls für seinen Widerstand bekannt geworden ist der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer, der neben dem polnischen Franziskaner Maximilian Kolbe, der zweite Glaubenszeuge aus der Nazi-Zeit ist.
Für den afrikanischen Kontinent stehen zwei Anglikaner: Manche Masemola aus Südafrika, die 1928 ihre Taufe im Alter von 16 Jahren mit dem Tod bezahlen musste, und Janani Luwum. Der Erzbischof in Uganda wurde 1977 wegen seines unerschrockenen Einsatzes unter Diktator Idi Amin ermordet. Während der Kulturrevolution in China wurde Pastor Wang Zhiming (66) von Yunnan 1973 zum Tod verurteilt und hingerichtet. Auf die bis heute schwierige Lage der Christen in Pakistan macht Esther John aufmerksam. Sie wurde 1960 von einem fanatischen Moslem getötet.
Aus den 333 Christen, die auf Papua-Neuguinea während der japanischen Invasion 1942 ihr Leben lassen mussten, fiel die Wahl auf Lucian Tapiedi. Und dass Erzbischof Oscar Romero der zehnte Märtyrer der Westminster Abbey ist, veranlasste Santos Gaspar Romero nach der Feierstunde vom 8. Juni 1998 zu den Worten: „Sogar Königin Elizabeth II. erwies meinem Bruder die Ehre, wie sie ihm in unserer Heimat verwehrt wird.“
Zur Sache
Blutzeugen aus Österreich Über 70 Personen sind in das Verzeichnis der Kirche in Österreich als Blutzeugen des Glaubens im 20. Jahrhundert aufgenommen worden. Das bestätigt Dr. Jan Mikrut, Referent für Selig- und Heiligsprechungen der Erzdiözese Wien, auf Anfrage der Kirchenzeitung. Das dreibändige Werk, am 2. Mai wird es in Wien vorgestellt, dokumentiert auf über 1000 Seiten das Leben und Wirken jener, die um des Glaubens Willen – mehrheitlich in der Zeit des Nationalsozialismus – getötet wurden. Da zu den bisher genannten (siehe unten) weitere Personen bekannt geworden sind, wird die Herausgabe eines Ergänzungsbandes erwogen. Diözese Feldkirch: P. Alois Grimm SJ, Dr. Carl Lampert Diözese Innsbruck: Fr. Gereon Ausserlechner OPraem Dr. Walter Krajnc Pfarrer Otto Neururer P. Edmund Pontiller OSB P. Franz Reinisch SAC P. Johann Steinmayr SJ P. Karl Maria Weber MSC Kaplan Josef Zotz Diözese Linz: P. Engelbert Blöchl OCist Abt Bernhard Burgstaller OCist Marcel Callo, P. Józef Cebula OMI Camilla Estermann Woldenar Theodor Großmann Dr. Johann Gruber, Franz Heger Franz Jägerstätter Prof. DDr. Franz Ohnmacht Alois Poranzl P. Theophil Ruderstaller OFMCap P. Antonin Schröcksnadel OFMCap P. Johann N. Schwingshackl SJ Pfarrer Matthias Spanlang P. Engelmar Unzeitig CMM Hans Wölffel
Buchtipp: Blutzeugen des Glaubens. Martyrologium des 20. Jahrhunderts, Band 1 (Wien, Niederösterreich, Burgenland), Band 2 (Oberösterreich, Steiermark), Band 3 (Salzburg, Kärnten, Tirol und Vorarlberg). Domverlag Wien. Pro Band 248 Schilling.