Noch nicht erwachsen, ist die Kindheit längst vorbei
Sie sind auf der Flucht nach Österreich gekommen. Noch minderjährig und ohne Eltern sind sie da. Minderjährige unbegleitete Flüchtlinge heißen sie im „Asyldeutsch“. Halbwüchsig, 14- bis 18-jährig, sind sie und werden in eigenen Unterkünften von Sozialarbeiter/innen betreut. So auch die 18 Burschen, die im Guten Hirten, einer Caritas-Einrichtung in der Linzer Innenstadt, wohnen.
„Österreich ist ein kleines Land, aber ich mag es. Es ist besser als die Länder, zum Beispiel der Iran, wo ich vorher gelebt habe“, sagt ein Sechzehnjähriger, der aus Afghanistan geflohen ist. Seit Anfang September ist er nun in Linz, kann vorsichtig und begleitet Schritt um Schritt in die unbekannte Zukunft setzen. Hier, wo alles anders ist, wie ein Fünfzehnjähriger erzählt, den die Flucht ebenfalls aus Afghanistan nach Linz geführt hat. „Das Essen, die Straße und auch die Menschen, alles ist anders.“
Schule und Alltag
Alles ist anders und das, was sie bisher erlebt haben, wirkt in vielen Bildern und Ängsten noch nach. Das Team um Mag. Daniela Anzengruber FH, das die Wohngemeinschaft der jugendlichen Asylwerbenden im „Guten Hirten“ begleitet, versucht, die Burschen an das Andere heranzuführen. An den Alltag in einem westlichen Land, an die ungewohnte Sprache Deutsch, für manche ist auch das Alphabet ganz neu, manche müssen erst wieder an eine Schule gewöhnt werden. Einige waren noch nie in einer Schule, einige nur wenige Jahre, andere wieder haben acht Jahre Schulzeit absolviert. Vier kirchliche Privatschulen – das Petrinum, das Aloisianum und die Kreuzschwesternschule in Linz sowie das Stiftsgymnasium Wilhering haben die 14- bis 17-jährigen Burschen aus Afghanistan, Syrien, dem Iran und Irak aufgenommen. Staatliche Schulen könnten diesem Beispiel folgen. „Ich geh jetzt hier in die Schule und mache einen Deutschkurs. Bis ich allerdings wirklich Deutsch kann, wird es noch dauern. Es ist eine schwierige Sprache, aber zumindest kann ich Englisch“, sagt der 15-jährige Afghane. Für alle ist der Besuch des Deutschkurses im „Verein Spitze“ ein Fixpunkt im Wochenprogramm.
Gemeinschaft und sporteln
In den Schulen wurden die Burschen herzlich aufgenommen. Die Kontakte zu den Gleichaltrigen aus Österreich sind wichtig. Dafür ist der Gute Hirte geradezu ideal, weil er ein Heim für Schülerinnen und Schüler ist. „Es ist nett, hier im Heim auch mit österreichischen Jugendlichen zusammen zu leben“, sagt einer der jungen Asylwerber. Die auf die Bedürfnisse von Jugendlichen zugeschnittenen Räume und das junge Klima im Guten Hirten schaffen ideale Bedingungen, den jungen Flüchtlingen mit einer schweren Vergangenheit und einer Zukunft voller Hoffnung aber auch Angst eine beruhigende Gegenwart zu ermöglichen. Es gibt Musikzimmer, Möglichkeiten zum Billard- und Tischfußball-Spiel, eine Turnhalle, eine Mensa, wo sie auch frühstücken können. Und es gibt viele Kontaktmöglichkeiten mit österreichischen Jugendlichen. Das Essen kochen die jungen Asylwerber meist selbst in der Gemeinschaftsküche. Sie sind gerne in der Gruppe zusammen. Und sie sporteln gerne, wie es österreichische Jugendliche in dem Alter auch gerne tun. Begeistert nahmen etliche von ihnen zum Beispiel an einem Hip-Hop-Dance-Kurs teil. Einer schwärmt: „Mein schönstes Erlebnis in Österreich war, als ich mit dem Rad zur Donau gefahren bin; ich war vier Stunden unterwegs.“
Der größte Wunsch: arbeiten
Ein Sechzehnjähriger hat Pläne, sportliche Pläne, nicht nur, wenn er sagt, dass er Schwimmen lernen möchte und Volleyball-Spielen. Aber sein größter Wunsch ist, wieder arbeiten zu können. „Ich habe vorher schon am Bau und in der Küche gearbeitet.“ Bis es so weit ist, wird jedoch etliche Zeit vergehen. Das Team der Sozialarbeiter/innen ist bemüht, dem Alltag der Burschen eine Struktur zu geben. Ein wichtiges Lernfeld ist die Haushaltsführung: Kochen, Waschen, Putzen und Einkaufen will gelernt sein. 24 Stunden, alle Tage der Woche ist jemand da. Viel Beziehungsarbeit sei notwendig, erzählt Daniela Anzengruber, die Leiterin der Wohngemeinschaft für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. Die Pädagog/innen vom Guten Hirten helfen bei den Nachtdiensten unter der Woche und außerhalb der Ferien mit. Auch Ehrenamtliche helfen in der Betreuung mit, etwa beim Deutsch Lernen. Manchmal lädt jemand aus dem Kreis der Ehrenamtlichen einen Jugendlichen zu sich nach Hause ein. So wachsen allmählich auch Freundschaften außerhalb der Begegnungen in den Schulen und im Guten Hirten.
Trauer und Freude
Rund um die Uhr sind Sozialarbeiter/innen, Pädagog/innen, Betreuende aus anderen Fachgebieten und Ehrenamtliche um die gute Begleitung bemüht. Die Trauer und das Fragen der Jugendlichen werden aber nur langsam weniger: Die Trauer darüber, dass die Familie nicht da ist, dass oft das Schicksal der nahen Angehörigen gar nicht bekannt ist. Die Fragen, wann die Familie nachkommen kann, wann es endlich zum ersten Interview im Asylverfahren kommt, wann es Arbeitsmöglichkeiten gibt. Zum Warten gezwungen zu sein, die Ungeduld ist schlimm. Gedanken bohren, die jedoch nicht davon abhalten dürfen, das Leben zu leben, was möglich ist, in die Hand zu nehmen. Und dabei auch noch mit sieben Euro am Tag das Auslangen zu finden. Das Leben hier ist so ganz anders. Ungewohnt, schön. „Was mir in Österreich gefällt“, beschreibt es einer: „dass es so sicher ist auf der Straße. Die Menschen sind so entspannt.“
Mit-Helfen
Wohnraumangebote für Asylwerbende. Bei Wohnangeboten ab 15 Personen verweist die Caritas an die Hotline des Landes OÖ: Tel: 0732/77 20-152 49, E-Mail: gvs.so.post@ooe.gv.at ,Mo. bis Do., 9 bis 15 Uhr.
Quartierangebote für eine kleinere Zahl Asylwerbender. Quartiere für weniger als 15 Asylwerber/innen sowie Einzelwohnungen für anerkannte Flüchtlinge, die hier bleiben dürfen: Caritas OÖ, Wohnraumvermittlung: Tel.: 0732/76 10-27 62 wohnraum@caritas-linz.at, 8.30 bis 11.30 und 12 bis 15 Uhr.
Quartierangebote von Pfarren und Orden. Mag. Hans Schwarzbauer-Haupt koordiniert die Flüchtlingsunterbringung und ist Ansprechpartner für Angebote von Pfarren oder Orden: Hans Schwarzbauer-Haupt, Tel: 0732/76 10-23 60; 0676/87 76 23 60; E-Mail: johann.schwarzbauer-haupt@caritas-linz.at
Caritas am Hauptbahnhof Linz. Dringend benötigt werden für Asylwerbende auf der Durchfahrt Lebensmittel – Bananen, Äpfel, stilles Mineralwasser in kleinen Plastikflaschen, Studentenfutter und Müsliriegel. – Bitte bei der Drehscheibe am Bahnhof abgeben. Was gerade benötigt wird, listet die Caritas auf der Homepage immer aktuell auf. Auch für die Mitarbeit von Ehrenamtlichen am Bahnhof ist die Caritas dankbar. Freiwillige mögen sich in eine Doodle-Liste eintragen. www.caritas-linz.at
Caritas-Flüchtlingsquartiere. Aktuell betreut die Caritas in Oberösterreich 85 Flüchtlingsquartiere. Auch dort ist man um Hilfe, insbesondere Sachspenden, dankbar. Bitte fragen Sie direkt vor Ort nach, was benötigt wird.