In Schulen und Hörsälen tummeln sich unterschiedliche Sprachen und Religionen. Das Zentrum Z.I.M.T. in Linz bereitet zukünftige Lehrerinnen und Lehrer darauf vor. Ein Gespräch mit den Leitenden Renate Hofer und Thomas Schlager-Weidinger.
ÖVP und FPÖ fordern, dass Schulkinder in Oberösterreich in der Pause Deutsch sprechen müssen. Was halten Sie davon? Renate Hofer: Menschen, die an einer Schule zusammenarbeiten, kann man keine Vorschriften für die Kommunikationssprache – wir sprechen hier nicht von der Unterrichtssprache – machen. Wir müssen die Ressourcen sehen, die Kinder gerade jetzt mitbringen. Wäre ihre Sprache Englisch, würden wir ihre Kompetenzen anders einordnen. Wenn neue Sprachen auf Schulgängen gesprochen werden, ist das ein schöner Ausdruck der lebensweltlichen Mehrsprachigkeit.
Thomas Schlager-Weidinger: Für mich ist diese Forderung Ausdruck eines rückwärtsgewandten Menschen- und Weltbildes. Oberösterreich tritt als weltoffen auf und dazu gehört das Selbstverständnis, dass in der Welt mehr Sprachen gesprochen werden als eine.
Mehrsprachigkeit im Bildungssystem ist einer der Schwerpunkte von Z.I.M.T. Renate Hofer: Es geht uns darum, die lebensweltliche Mehrsprachigkeit ins Zentrum zu rücken und die Unterrichtssprache Deutsch gut auszubilden. Mehrsprachigkeit heißt auch, die Sensibilität für unsere moderne Zeit zu erhöhen. Man kommt an Schulen nicht mehr ganz aus mit Fremdsprachen wie Englisch oder Französisch, die oft weit weg sind von den Sprachen, wie sie Menschen, die nach Österreich kommen, mitbringen. Mehrsprachigkeit ist stark verwoben mit der Thematik „Migration“: Was sind Migrations-, Minderheiten- und Nachbarschaftssprachen? Werden diese an Schulen gelehrt? Wir bieten den Schwerpunkt Mehrsprachigkeit in der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung an. Ziel ist, dass kompetente Personen Vernetzungen an den Schulen schaffen, wenn es um Fremdsprachenunterricht, Muttersprachenunterricht oder um „Deutsch als Zweitsprache“-Unterricht geht. Dieser Unterricht soll in Schulen inklusiv angeboten werden und nicht in Sonderräumen.
Religionen wirken oft abgrenzend. Wie kann interreligiöses Lernen gelingen? Thomas Schlager-Weidinger: Interreligiöses Lernen heißt, in einen offenen und durchaus kritischen Dialog mit anderen Religionen, vor allem mit Muslimen zu treten. Man muss sich anschauen, wie stark Muslime als „die anderen“ abgestempelt werden und der Islam als die Religion „der anderen“, als vermeintlich suspekte Gruppe. Dann sieht man auch, wie das politisch mißbraucht werden kann. Das Phänomen spiegelt sich zum Beispiel im FPÖ-Slogan „Daham statt Islam“. Das führt dazu, dass wir den Muslimen die vermeintlich „echte“ Kultur bzw. Religion vorschreiben wollen. Ich habe 2003, nach der Gründung der „Arbeitsgemeinschaft Salam – Grüß Gott“ begonnen, meinen eigenen Glauben zu reflektieren und zu kommunizieren. Die Auseinandersetzung mit anderen Religionen bringt so viel Weite, von der ich gern hätte, dass sie viele teilen können.
Was kann Migrationspädagogik? Renate Hofer: Migrationspädagogik stellt sich u.a. die Frage: Wie schaffe ich es, den vermeintlichen Migrationshintergrund eines Menschen nicht dadurch in den Vordergrund zu rücken, indem ich zum Beispiel zu einer Studentin sage: „Du sprichst aber gut Deutsch.“ Das heißt auch, nicht ausschließlich multikulturelle Feste zu feiern, und dann darf wieder alles so sein, wie es war. Wir sollten vielmehr sehr ressourcenorientiert schauen, wo wir voneinander lernen können und was wir an Bildern im Kopf verlernen müssen.
Zur Sache
Z.I.M.T. – Zentrum für Interreligiöses Lernen, Migrationspädagogik und Mehrsprachigkeit – wurde an der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz gegründet. Das Zentrum versteht sich als Ort des Austausches und der Begegnung im Bereich der Lehrer/innenausbildung und verbindet Aus-, Fort- und Weiterbildung, Beratung und Forschung miteinander. Am 6. November wird das Zentrum nach einem zweijährigen Entwicklungsprozess mit einem Symposium in Linz eröffnet. - Info & Angebote: www.phdl.at/institute/zimt