Der Begriff „Barmherzigkeit“ wird einem in dem mit dem ersten Adventsonntag beginnenden neuen Kirchenjahr oft begegnen. Ein Leitartikel von Matthäus Fellinger.
Ich kann dieses Wort nicht mehr hören, sagt einer. Von „Barmherzigkeit“ ist die Rede. Was es braucht, meint er, sind gerechte Strukturen, sodass Menschen erst gar nicht auf Barmherzigkeit angewiesen sind.
Der Begriff „Barmherzigkeit“ wird einem in dem mit dem ersten Adventsonntag beginnenden neuen Kirchenjahr oft begegnen. Papst Franziskus hat es als Jahr der Barmherzigkeit ausgerufen. An den Sonntagen wird aus dem Lukas-Evangelium gelesen – dem Evangelium der Barmherzigkeit.
Das ist die Versuchung: dass man sich Barmherzigkeit erspart, weil man besser zuerst Gerechtigkeit schaffen muss. So bleibt der Bettler unbeachtet. In ein gerechteres Wirtschaftssystem zu investieren, wäre effizienter. Es wäre sonst zwar einem geholfen, im Grunde aber doch nichts verändert. Helfen wird in die Zukunft verschoben.
Doch die Gerechtigkeit lässt oft ziemlich lange auf sich warten. Wo sie nicht zugleich barmherzig auch für den Einzelnen ist, wird sie kalt. Niemand soll unbeachtet bleiben, heute schon, nicht erst dann, wenn es mit der gerechteren Welt soweit ist. Und: Wo Barmherzigkeit nicht Ausnahme, sondern Grundhaltung ist, ergänzt sie die Gerechtigkeit – und nimmt ihr die Kälte.