Mitten in der Katsdorfer Pfarrkirche steht ein Zaun, der den Altarraum vom Rest des Gotteshauses abtrennt. Was seine Beweggründe zu dieser Aktion sind und wie Österreich eine Million Flüchtlinge aufnehmen könnte, erzählt Pfarrer Franz Wenigwieser.
Ausgabe: 2015/50, Flüchtlinge, Zaun, Obergrenze, Katsdorf, Asyl, Franz Wenigwieser, Pfarre
09.12.2015 - Interview: Paul Stütz
Ein Zaun riegelte den Altarraum am ersten Adventsonntag ab, dahinter waren die Flüchtlinge. Haben Sie die Messbesucher darauf vorbereitet? Franz Wenigwieser: Nein, weil es den Menschen auf der Flucht genauso geht. Da ist plötzlich ohne Vorwarnung ein großes Hindernis und plötzlich muss man reagieren. Das war spontan, damit die Erfahrung konkret spürbar wird. Die Flüchtlinge habe ich natürlich schon auf ihre besondere Rolle in dem Gottesdiens vorbereitet.
Der Zaun mitten in der Pfarrkirche ist eine deutliche, politische Stellungnahme. Wenigwieser: Wir wollen in Katsdorf bewusst ein Zeichen gegen Grenzzäune setzen. Ich will zeigen, dass Gott einen anderen Weg geht. Mich machen die Bibel-Worte betroffen: „Du sollst die Fremden nicht unterdrücken und du sollst sie behandeln wie einen Einheimischen und du sollst sie lieben wie dich selbst. (Levitikus 19,33–34)“.
27 Flüchtlinge leben momentan in Katsdorf, 20 Moslems, sieben Christen. Gibt es Berührungsängste in der Bevölkerung? Wenigwieser: Gibt es auch, aber insgesamt sind die Flüchtlinge sehr positiv aufgenommen worden. Sie haben bei uns beim Erntedankfest gekocht, einige von den christlichen Flüchtlingen ministrieren am Sonntag.
Viele Österreicher wollen den Grenzzaun in Spielfeld, weil sie Angst haben, dass uns die Flüchtlinge überrennen. Wenigwieser: Die Angst ist vielleicht nicht ganz unberechtigt. Ich glaube schon, dass es für Flüchtlinge Bedingungen geben muss. Ich fände es toll, wenn jeder Flüchtling ein Freiwilliges soziales Jahr machen würde, sich ehrenamtlich engagiert. Ich mache die Erfahrung, dass sie uns richtig bitten darum, irgendetwas gratis machen zu können. Es ist nicht gut, wenn die Flüchtlinge nur die Hand aufmachen. Das ist für beide Seiten unbefriedigend. Ich selbst werde im Pfarrhof noch eine weitere Familie aufnehmen und da stelle ich klare Bedingungen. Die müssen sich in einer Gruppierung im Ort und in der Pfarre engagieren.
Sie lassen noch zusätzlich Flüchtlinge bei sich wohnen. Auch von Gutwilligen hört man doch das Argument, dass Österreich nicht alle Asylsuchenden aufnehmen kann? Wenigwieser: Wir können in Österreich nicht die ganze Welt aufnehmen, da würde das System zusammenbrechen. Aber ich bin überzeugt, dass wir eine Million Flüchtlinge schaffen könnten. Das geht aber nur, wenn wir wirklich bereit sind zu teilen, etwas kürzerzutreten. Sonst geht es nicht.
Der Zaun in der Pfarrkirche steht symbolisch nicht nur für die Flüchtlingsproblematik? Wenigwieser: Die anderen Adventsonntage drehen sich um Themen wie Armut oder Vergebung. Mir geht es insgesamt darum, dass wir den Zaun im Herzen abbauen gegenüber den Menschen, die in Not sind.
In Spielfeld wird der Zaun aufgebaut, in Katsdorf wird bis zum Ende des Advents Stück für Stück verschwinden. Wenigwieser: Das hoffnungsvolle Zeichen soll sein, man kann Zäune auch in der Gesellschaft abbauen. Damit bauen wir ein Stück weit die Angst ab. Je weniger Zaun es gibt, desto besser werden sich die Flüchtlinge in die Gemeinschaft einbringen können.
Zaun in der Kirche
Pfarrer Franz Wenigwieser ließ zu Adventbeginn den Altarraum der Katsdorfer Kirche mit einem Zaun schließen. In dem von den Messbesuchern abgetrennten Bereich waren die Flüchtlinge von Katsdorf, Christen und Moslems. Zwei Flüchtlinge wurden bei der Predigt über die Gründe ihrer Flucht und über ihre Situation befragt. Die Kommunion wurde durch den Zaun ausgeteilt. Jeden Adventsonntag wird ein Teil des Zaunes abgebaut.