Obwohl sie recht haben, bekommen sie nicht Recht: Die Regierung Brasiliens verweigert dem indianischen Volk der Tupinambá im Bundesstaat Bahia seit einem Jahrzehnt den Eintrag ihres Landes ins Grundbuch. Maria da Gloria de Jesus erzählt von dem mühsamen Kampf um Gerechtigkeit.
Ausgabe: 2015/50, Sei so frei
09.12.2015 - Josef Wallner
Im Jahr 2004 bekam es das indianische Volk der Tupinambá schriftlich: 47.000 Hektar Land rund um ihre Dörfer gehören ihnen, weil sie dort schon immer gelebt haben. Da der Bescheid aber bisher von keinem der Justizminister Brasiliens unterschrieben wurde, können sie ihr Recht nicht durchsetzen. Der Großteil der ihnen zugesprochenen Fläche wird von Großgrundbesitzern bewirtschaftet und die denken nicht daran, sich zurückzuziehen. Im Gegenteil: Sie machen – oft gemeinsam mit der Polizei – den rund 1100 Bewohnern des Dorfes, in dem Dona Maria lebt, den Alltag zur Hölle. Drei ihrer Kinder waren schon in Haft: Ihr Sohn Babau, der Häuptling des Dorfes, wurde im Sommer 2014 das letzte Mal gefangen gesetzt – am Flughafen der Hauptstadt Brasilia, als er mit anderen Stammesoberhäuptern zu Papst Franziskus nach Rom aufbrechen wollte. Die Großgrundbesitzer scheuen kein Mittel, um die Tupinambá zu zwingen, auf ihr Recht zu verzichten, sie verbreiten Terror und Schrecken.
Auf Seiten des Lebens
Nicht einmal der Pfarrer der nahen Stadt, die auf dem Land der Indianer liegt, traut sich in das Dorf. Er hat Angst vor der Rache der Großgrundbesitzer. Anders Janira Jesus Souza de Franca. Sie ist langjährige Projektpartnerin der Aktion SEI SO FREI und leitet ein Schulungszentrum für landlose und indianische Kleinbauern. „Es gibt auf der ganzen Welt nur zwei Projekte, das Projekt des Lebens und das des Todes“, sagt sie: „Jeder Mensch muss seine Wahl treffen. Ich habe mich für das Projekt des Lebens entschieden.“ Natürlich wäre es einfacher, die Fazendeiros zu unterstützen, aber sie ist selbst arm geboren und hat ihre Wurzeln nicht vergessen: „Ich glaube an ein Leben in Würde und an ein gutes Zusammenleben mit der Umwelt.“ Dieses Wort greift Dona Maria auf: „Wenn der Mensch im Einklang mit seiner Umwelt lebt, wird das Leben langfristig geschützt.“
Nicht zurück in die Steinzeit
Die indianischen Völker denken bei all ihren Aktivitäten sieben Generationen voraus, erzählt sie. Das ist der beste Schutz vor Umweltkatastrophen. Dona Maria tritt auch dem Vorurteil entgegen, dass ein Leben mit der Natur in die Steinzeit zurückführt. Ein „gutes Leben für alle“, wie sie ihre Vision nennt, ist möglich. Da hat die Hilfe durch das Landwirtschaftliche Schulungszentrum von Janira Jesus Souza ebenso ihren Platz wie der Schulbesuch der Kinder. „Man wirft uns vor, dass wir faul sind, weil wir so viel Wald wachsen lassen. Aber es hat noch nie jemand Hunger gelitten“, erklärt Dona Maria: „Die Erhaltung der Flüsse und Wälder ist wichtig, damit nicht nur die Menschen, sondern alle Lebewesen leben können.“ Dona Maria macht sich nichts vor: Die Situation rund um das Dorf ist angespannt. Aber sie hat Hoffnung. Sie hebt die Hand und zeigt nach oben: „Ja, ich bete zu Maria und zu Tupa, dem Gott für die ganze Welt.“ Die Aktion SEI SO FREI unterstützt die Tupinamá in ihrem Kampf um die eine fehlende Unterschrift – die die Basis für ein Leben in Sicherheit und Würde ist.