Zwar dauern in Österreich die Asylverfahren seit zwei Jahren kürzer als früher. Aber noch immer gibt es Asylsuchende, die fünf Jahre und länger auf den Bescheid warten. Warten heißt: hoffen, dass er positiv ausfällt. Etwa die Kenianerin Karen. Sie lebt mit ihrem sechsjährigen Sohn in Linz.
Auf und davon. Es war der einzige Weg, den Karen sah, die bei ihrem Vater in einem Slum der kenianischen Hauptstadt Nairobi lebte. Sie war damals noch nicht 17 Jahre alt. Der Vater wollte sie zur Prostitution zwingen, sie zwangsverheiraten und beschneiden lassen.
Stummer Staat
Karen lebte einige Wochen auf der Straße. Damals wurde sie schwanger. Als werdende Mutter wagte sie die Flucht. Schlepper brachten sie nach Österreich. Österreich sagte ihr nichts, sie musste sich erst mit ihrem Gastland bekannt machen. Bei SOS-Menschenrechte kam sie in einer Wohngemeinschaft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge unter. In erster Instanz wurde ihr Asylantrag abgelehnt. Sie hat berufen. Das letzte Asylverfahrens-Interview hatte sie, als ihr heute sechsjähriger Sohn 15 Monate alt war. Seither ist der Staat Österreich stumm.
Angst
„Ich habe Angst“, sagt Karen. Angst, dass sie nicht Österreich bleiben kann. Dass sie mit ihrem Sohn, der hier geboren wurde, Österreich verlassen muss. Als waschechter Österreicher fühlt sich der Sohn. Und auch Karen möchte eine Waschechte werden. Möchte arbeiten dürfen und verdienen. Dazu braucht sie eine Ausbildung. Krankenschwester gefiele ihr oder Köchin. Mit Menschen möchte sie zu tun haben.
Warten
In einer kleinen Wohnung in Linz lebt Karen. Wartet. Wartet darauf, dass sie ihren Sohn vom Kindergarten abholen kann. Wartet, dass Österreich sagt: Ja, du kannst bei uns bleiben. Du musst nicht mehr nach Kenia, wo du deinen Vater fürchtest und die Slums. Du kannst hier eine Ausbildung machen, du kannst verdienen, leben! Karen wartet nun schon fast fünf Jahre. Fünf Jahre ist sie im Ungewissen. Sie wartet und spart. Sonst könnte sie das Leben nicht finanzieren. Mit ihrem Sohn hat sie im Monat 510 Euro zur Verfügung. 220 davon muss sie für die Wohnung ausgeben, 80 für Strom und Heizung, 20 für das Essen im Kindergarten. Bleiben für alles andere 190 Euro im Monat. „Am Anfang des Monats kaufe ich Reis und Nudeln und andere Lebensmittel, damit das Monat gesichert ist. Was dann noch da ist, kann ich ausgeben.“ Oft endet das Geld, bevor der Monat vorbei ist. Dann gibt es halt nichts.
Aber
Karen ist Katholikin. Gerne würde sie zu Weihnachten in die Mette gehen, hat aber niemanden, der bei ihrem Sohn bleibt. Gerne würde sie auch einen Christbaum haben. Aber es fehlt am Geld. Gerne würde sie in Österreich bleiben, aber der Staat schweigt.
Asyl in Österreich
Anträge. Bis Ende Oktober wurden knapp 70.000 Asylanträge gestellt. Das sind 2,4-mal so viele Anträge wie im Vergleichszeitraum 2014.
Herkunftsländer. Die meisten Anträge stellten Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, dem Irak und Pakistan.
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. 2015 stellten bis Ende Oktober 7155 minderjährige Jugendliche Asylanträge, 459 von ihnen waren jünger als 14 Jahre. In Oberösterreich sind aktuell 500 unbegleitete Minderjährige in der Grundversorgung.
Verfahrensdauer. Vom Asylantrag bis zum rechtskräftigen Bescheid dauert es unterschiedlich lang. Lange Verfahren sind seltener geworden, aber es gibt sie noch – siehe Karen (oben). – Die durchschnittliche Dauer ist derzeit etwas über vier Monate.