Vermutlich beten wir über die erste Bitte des Vaterunsers am leichtesten drüber. Was soll das eigentlich, „den Namen Gottes heiligen“? Erstaunlicherweise steht diese Bitte für Jesus an allererster Stelle. Aber wie sollen wir diese Bitte verstehen? Was bedeutet eigentlich „heiligen“ und was hat es mit dem „Namen“ auf sich, den wir heiligen sollen?
Der allein heilige Gott
Wenn wir die erste Frage „Was heißt eigentlich heiligen?“ gültig beantworten wollen, dann müssen wir die Heilige Schrift aufschlagen. In der Berufungsvision des Propheten Jesaia wird uns folgendes erzählt: „Im Todesjahr des Königs Usija sah ich den Herrn. Er saß auf einem hohen und erhabenen Thron. Der Saum seines Gewandes füllte den Tempel aus. Serafim standen über ihm . . . Sie riefen einander zu: Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heere. Von seiner Herrlichkeit ist die Erde voll. Die Türschwellen bebeten bei ihrem lauten Ruf, und der Tempel füllte sich mit Rauch. Da sagte ich: Weh mir, ich bin verloren.“ (Jes 6, 1–4) Todesschrecken packt Jesaia vor der unnahbaren Heiligkeit Gottes, die ihn seine eigene Nichtigkeit überdeutlich erfahren lässt. Gott ist der über alles Erhabene, er ist umhüllt von Herrlichkeit, er allein ist heilig. Aber dieser unnahbar heilige Gott neigt sich dieser Erde zu. Er beruft Menschen in seinen Dienst und schenkt seine heilende und heiligende Nähe allen, die ihn suchen. Endgültig und unwiderruflich hat er seine heilige Nähe uns Menschen geschenkt in Jesus von Nazaret. Schon in seine Erdentagen, vor allem aber in seiner Auferstehung ist Gottes Heiligkeit und Herrlichkeit in unserer Welt aufgeleuchtet. Deshalb stimmen wir in jeder Eucharistiefeier am Beginn des Hochgebetes in das Sanctus, das dreimal Heilig ein. Wir preisen den heiligen Gott und ebenso seinen Sohn, der im Namen des heiligen Gottes in diese Welt gekommen ist, um uns den Zugang zum Vater zu öffnen.
Heilige Räume und Zeiten
So sehr die Heilige Schrift betont, dass Gott allein heilig ist, so sehr weist sie darauf hin, dass wir Menschen bestimmte Orte und Zeiten offen halten für Gott. Wir sollen uns darum kümmern, dass es Raum und Zeit für Gott gibt. Das fängt bei der Gestaltung der Wohnung an, wenn wir einem religiösen Symbol, vielleicht auch nur einer Kerze einen guten Platz geben; das drückt sich aus in der Pflege der Kirchen und Kapellen; vor allem wird ein Raum zu einem heiligen Raum, wo sich zwei oder drei im Namen Jesu zusammentun, um Gottes Nähe zu feiern. Unsere Zeit können wir „heiligen“, indem wir das Kirchenjahr mitfeiern, gutes Brauchtum pflegen, aber auch dadurch, dass wir den Sonntag heilig halten, miteinander Gottesdienst feiern und den Alltag durch einen Aufblick zu Gott am Abend und am Morgen für Gott offenhalten.
Gottes Namen heiligen?
Wir alle kennen die Redensart „in Gott’s Namen“, oft verbunden mit einem Seufzer, der zum Ausdruck bringt, dass es irgendwie schon gehen werde. Manchmal aber setzen wir diese Redensart bewusst an den Anfang eines Unternehmens, dessen Erfolg nicht allein in unserer Macht steht. Und damit sind wir der Beantwortung der Frage „Was hat es eigentlich mit dem Namen Gottes auf sich?“ sehr nahe gekommen.Gott offenbart dem Mose am brennenden Dornbusch seinen Namen und gibt kund, wer er ist. Sein Name lautet „Ich bin der für euch da ist“. Wenn Jesus am Ende seines Lebens sagt: „Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus dieser Welt gegeben hast“ (Joh 17, 6), so unterstreicht er damit, dass es ihm darum gegangen ist, Gottes Sorge um das Gelingen menschlichen Lebens spürbar zu machen.Wenn wir im Vaterunser beten und bitten „Geheiligt werde dein Name“, so ist das eine Bitte an Gott, dass er uns mit seiner Heiligkeit und wohltuenden Nähe berühren möge, dass er uns die Kraft schenke, ihm Raum zu schaffen mitten in unserem Leben.
Impuls für die Woche
Frage: Was ist mir im Leben heilig? Familie, Freundschaft, Beruf, Besitz . . . Religion?– Wofür bin ich bereit, mich einzusetzen?– Worauf möchte ich unter keinen Umständen verzichten?Wie könnte ich dieser Vaterunser-Bitte in meinem Leben Gewicht verleihen?
– Ich will das Sanctus der Messe wie ein neues Lied singen oder beten, weil es von der Gegenwart und Nähe Gottes in meinem Leben kündet.
– Wenn ich bei einer Kirche vorbeigehe, dann nehme ich mir ein paar Minuten Zeit, um in diesem heiligen Raum ein wenig vor dem heiligen Gott zu verweilen.