Prophetinnen und Propheten: Menschen in einer „ver-rückten“ Welt
Ausgabe: 2001/50, Prophetinnen, Fest,
11.12.2001 - Kirchenzeitung der Diözese Linz
„Ich bin es müde, eure Feste zu ertragen“, verkünden ProphetInnen im Namen Gottes. Es ist kein Aufruf, Feste abzuschaffen, sondern die Lebensweise zu ändern.
Kraftvolle Worte Gottes aus dem Mund des Propheten Amos, eines Schafzüchters im 8. Jh. v. Chr.: „Ich hasse eure Feste, ich verabscheue sie und kann eure Feiern nicht riechen. Wenn ihr mir Brandopfer darbringt, ich habe kein Gefallen an euren Gaben, und eure fetten Heilsopfer will ich nicht sehen. Weg mit dem Lärm deiner Lieder! Dein Harfenspiel will ich nicht hören, sondern das Recht ströme wie Wasser, die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach. (Am 5, 21–24)
Ähnliches ist bei anderen Propheten zu lesen (vgl. BedenkText). Scheinbar wird der Kult für überflüssig erklärt. Kultische Ausdrucksweisen werden dem sozialen Leben gegenübergestellt. Die Kurzformel könnte lauten: Besser sozial aktiv als kultisch; oder: Hauptsache sozial. Doch das wäre eine Verkürzung. Mit ihrer Kritik wollen ProphetInnen keineswegs den Kult abschaffen. Ihre Kritik gilt der Trennung von Kult und Leben und der Sinnentleerung von religiösen Festen und Ritualen.
Feste – Ausdruck des Lebens
Feste und Rituale sind Ausdruck eines konkreten Lebens, der Beziehung zu Gott, der Menschen untereinander und zur Schöpfung. Im Feiern wird die gemeinsame Geschichte erinnert. Erinnerung – woher jemand kommt, wer jemand ist – stiftet Identität. Sie ist leitend für gelebte Werte und Handlungsweisen. Israel ist das Volk des Gottes JHWH und keiner anderen Gottheit. Der Glaube an ihn regelt ihr Zusammensein, ihre Festzeiten und ihren Lebensrhythmus, ihre heiligen Orte etc. Wer zu Israel gehört, zeigt dies im täglichen Leben und feiert die Zugehörigkeit in den Festen. Ein rechtmäßiger Kult und ein gottgefälliges Handeln gehören zusammen.
ProphetInnen klagen das Auseinanderfallen von sozialem und kultischem Verhalten an. Religiöse Formen alleine schaffen kein Heil, lautet ihre Botschaft. Im Gegenteil: fehlendes soziales Verhalten macht die Feste inhaltsleer. Nicht, dass Menschen nur mit halbem Herzen bei der Sache sind, die religiösen Formen werden zu Selbstläufern. In der Folge verlieren sie und der in ihnen gefeierte Lebensentwurf gesellschaftlich an Bedeutung. Die Identität beginnt sich zu verschieben. Die IsraelitInnen sagen sich handelnd von JHWH los, auch wenn sie ihm weiter Opfer darbringen. Alltägliches Leben und religiöse Rituale widersprechen einander.
Umwertung der Feste
Doch es kommt noch dicker, wenn diese Formen neuen Sinnzusammenhängen dienen, die nichts mit dem Gott Israel zu tun haben. Im Kleid traditioneller religiöser Formen finden sich neue Inhalte, während die ursprünglichen verdrängt werden. Es wird gefeiert, doch der Anlass ist nicht mehr derselbe.
Dies lässt sich auch heute beobachten. Nicht alle, die das Weihnachtsfest feiern bzw. den Advent als beschauliche Zeit verkünden, machen dies aus religiöser Überzeugung. Das Fest dient als Grund für freie Tage, höhere Umsätze, behagliche Gefühle, Familienfeiern. Der eigentliche Grund verblasst angesichts der vielen Kerzen und Engelfiguren.
Adventzeit ist Punschzeit?
Adventzeit ist Punschzeit und Weihnachten die Zeit der Geschenke. Ist die Menge des ausgegebenen Geldes der Ersatz für die Friedensbotschaft und die Fülle an Kerzenlicht der Ersatz für die Erinnerung der Menschwerdung Gottes? Wirtschaftliche Interessen nehmen sich der weihnachtlichen Inhaltsleere an und verkünden neue Ziele: geschenkte Träume, beschauliche Einkaufsnächte. Die Inhalte ändern sich, ebenso die Lebensweise. Wenn nun die ProphetInnen im Namen Gottes verkünden „Ich bin es müde, eure Feste zu ertragen“, so liegt das Ziel nicht in deren Abschaffung. Es ist ein Ruf, die Lebensweise zu korrigieren, damit religiöse Feiern wieder zum Ausdruck des Lebens werden.
BedenkText:
Hört auf, vor meinen Augen Böses zu tunBringt mir nicht länger sinnlose Gaben, Rauchopfer, die mir ein Greuel sind. Neumond und Sabbat und Festversammlung – Frevel und Feste – ertrage ich nicht. Eure Neumondfeste und Feiertage sind mir in der Seele verhasst, sie sind mir zur Last geworden, ich bin es müde, sie zu ertragen. Wenn ihr eure Hände ausbreitet, verhülle ich meine Augen vor euch. Wenn ihr auch noch so viel betet, ich höre es nicht. Eure Hände sind voller Blut. Wascht euch, reinigt euch! Lasst ab von eurem üblen Treiben! Hört auf, vor meinen Augen Böses zu tun! Lernt, Gutes zu tun! Sorgt für das Recht! Helft den Unterdrückten! Verschafft den Waisen Recht, tretet ein für die Witwen.