Wer die konkrete Wirklichkeit von Leid und Tod nicht mitfühlend wahrnimmt, bei dem verkommt die Botschaft der Auferstehung zum „frommen Spruch“.
Sie kennen vielleicht den Satz: „Die Christen müssten mir fröhlicher aussehen.“ Auch im Leid – auch im Tod? Wegen der Auferstehung?
Ich habe Angst vor fröhlichen Christinnen und Christen – nicht vor der Fröhlichkeit – jedoch vor einer Bereitschaft, wegzusehen von einem Leid, das zum Himmel schreit. Gibt es eine fromme Fröhlichkeit, die dem Menschen Unrecht tut – und möglicherweise auch Gott?
In meiner Arbeit begegnen mir Frauen und Männer, die leiden. Diese Begegnungen prägen mein Denken und mein Empfinden. Dabei habe ich – hoffentlich – nicht gänzlich das verloren, was berechtigt eingefordert wird: eine Weise des Fröhlichseins.
Und mich beschäftigt die Frage: Welche Fröhlichkeit ist möglich, angesichts des Leids, anders gesagt, angesichts der vielen einzelnen Menschen: Kinder, Frauen und Männer, die leiden?
An den Menschen vorbei
Als Theologin weiß ich um die Vielfalt der Aussagen und Kommentare zu Leid, Tod und Auferstehung. Als Seelsorgerin im Krankenhaus erlebe ich Menschen, die Schmerzen haben, ohne zu verstehen, die sterben in einer Hoffnung auf ein tröstendes Danach – oder auch in Angst.Als Christin, die ihr eigenes Leben zu buchstabieren versucht, erfahre ich – wie alle Menschen – Leid. Und ich erlebe darin so manche Fragwürdigkeiten eines erklärten barmherzigen Gottes.
Im Laufe der Begegnungen mit leidenden, oft hoffenden Frauen und Männern wächst meine Vermutung: alles Reden um Leid, Tod und einer christlicher Zuversicht erfährt seine Berechtigung in der Erfahrung vieler Frauen und Männer. Was empfindet die Frau, die seit Wochen im Krankenhaus liegt. Es besteht nach wie vor keine Aussicht auf Besserung – und es tritt ein „fröhlicher Christ“ herein? Wie ist es wohl für den Arbeitslosen, der sich aufgefordert sieht, guten Mutes – fröhlich – zu sein? Den fröhlichen Christen/-innen kann, ja muss, ihnen nicht Naivität oder Mitleidlosigkeit zum Vorwurf gemacht werden?
Wirklichkeit Leid
Leid ist keine Idee. Es gibt kein theoretisches, abstraktes Leiden. Wer dürfte auch nur einen Menschen, der z. B. sein Kind durch einen Unfall verloren hat, sein Leid theoretisch erklären – vielleicht um Gott zu rechtfertigen, zu entschuldigen? Um des Menschen willen – und so wie ich nur glauben kann – auch um Gottes Willen: Leid darf dem Leidenden nicht weg-erklärt werden. Es sind nicht zuletzt Texte aus der Bibel, die mich ermutigen und auffordern, auf schnelle – vielleicht fromme, aber untröstliche – Erklärungen zu verzichten. Bleibt mir also nur Ratlosigkeit oder Resignation? Leid fordert mich ein. Leid fordert mich auf. Frauen und Männer halten Ausschau nach Sympathisantinnen und Sympathisanten. Sie suchen Menschen, die bereit und fähig sind, Leid an sich heranzulassen, mitzufühlen und die – durch ihrer eigene Hoffnung ermutigt – ermutigen zur Klage, zur Suche nach Änderung, nach Linderung.
„Mitgefühl“ ist vielleicht zu einem kraftlosen und sentimentalen Wort verkümmert. Und doch erlebe ich, welche leidverändernde Kraft in der Begegnung mit Menschen liegt, die diese „Sympathie“ – und das heißt Mitgefühl – wagen.
Wirklichkeit Tod
Tod ist eine Wirklichkeit – keine Idee. Tod verändert – wirklich – das Leben derer, die zurückbleiben. Ein lebloser Mund lacht nicht mehr, eine Stimme singt nicht mehr, und Hände halten nicht mehr. Tod ist Wegsein des Greifbaren, dessen, was wir begreifen. Ich versteh zutiefst, wenn Menschen – auch im Glauben – sagen können: Ich hasse den Tod, denn mir fehlt ein Mensch.Jedoch darf ich als Christin, darf ein Christ den Tod ablehnen oder zumindest darüber klagen? Aufatmend blicke ich hin zu dem, was mir von Jesus erzählt wird: von Mitleid bewegt sagt er zum toten Jüngling von Nain: „Steh auf!“
Hoffnung auf Leben
Auferstehung, Auferweckung – eine Idee? Mir begegnet eine Wirklichkeit: Hoffnung. Ich erlebe, wie sie Menschen bewegt, sich aufzurichten – obwohl ihr Leben durchkreuzt wurde. Die Erinnerung an einen Jesus, dessen Leben nicht für alle Ewigkeit am Kreuz festgenagelt blieb, führt auch mich – mit diesen Frauen und Männern – zu einer Hoffnung (oder ist es eine Ahnung?): Der Gott, den Jesus „Vater“ nannte, will nicht den Tod. Gott will Leben.
Anna Seyfried
B E D E N K T E X T
Platz der Freude Einmal muss das Fest kommen! Heiliger Antonius, der du gelitten hast, heiliger Leonhard, der du gelitten hast, heiliger Vitus, der du gelitten hast.
Platz unseren Bitten, Platz den Betern, Platz der Musik und der Freude.
Ingeborg Bachmann
Z E U G N I S S E
Zwischen Karfreitag und Ostern
Wir baten Menschen, die in ihrem privaten und/oder beruflichen Leben auch die „dunklen“ Seiten des Daseins erfahren haben, uns zu schreiben, wie sie Leid, Tod und Auferstehung sehen und mit Blick auf Jesus deuten.
Dr. Anna Seyfried ist Krankenhausseelsorgerin und Leiterin der Krankenpastoral der Diözese Linz.