Da lag dieses Buch „210 österreichische Komponistinnen“ vor mir. Ich dachte angestrengt nach, aber mehr als fünf Komponistinnen weltweit fielen mir spontan nicht ein. Peinlich?
Wie auch immer, Realität ist: Frauen, die komponieren, sind einerseits eine Rarität, andererseits: selbst die wenigen, die es gibt, sind meist unbekannt.
Frauen hatten jahrehundertelang nicht die gleichen Zugangs - und Entfaltungsmöglichkeiten wie Männer: Das betrifft Bereiche wie Politik, Kultur, Religion und Gesellschaft. Die Auswirkungen dessen werden uns oft erst heute bewusst. Besonders dann, wenn das (Nicht)Vorhandensein von Frauen sein zum Thema gemacht wird. Das vorliegende Lexikon „210 österreichische Komponistinnen“ von Eva Marx und Gerlinde Haas ist die erste umfassende Bestandsaufnahme von in Österreich geborenen bzw. lebenden Komponnistinnen über einen Zeitraum von über 500 Jahren.
Das Repertoire von Komponistinnen ist dabei weit größer als ihnen gängige Vorurteile zugestehen wollen. Nicht nur Lieder und kleine Klavierstücke brachten und bringen sie aufs Papier. Die Bandbreite reicht vom Salonstück bis zum Orchesterwerk, von der Oper und Operette bis zu elektro-akustischen Kompositionen mit Computer.
Lili Scheidl-Hutterstrasser, geboren 1882 in Wien, veröffentlichte 1907 ihre ersten Lieder und begann später Komposition zu studieren. Die Komponistin kommentierte dies wie folgt: „Nachdem gerade diese Fächer von Frauen bisher nur selten gepflegt wurden und diese im Konkurrenzkampfe mit dem Manne sich nur wenig Anerkennung in der Öffentlichkeit erringen konnten, ging all mein Streben – ernst und jahrelang – dahin, mich ganz besonders darin auszubilden.“
Unzweifelhaftes Können
Die Uraufführung der oft gespielten Oper „Maria von Magdala“ von Lili Scheidl-Hutterstrasser war im Jahr 1919 ein aufregendes Gesellschaftsereignis, dem man in Wien mit Spannung entgegen sah. Nach erfolgreicher Premiere fand die Aufführung in den Wiener Tageszeitungen reichlich Niederschlag. Die Oper sei das Werk „einer ernstzunehmenden, strebsamen Künstlerin, deren unzweifelhaftes Können offenbar das Ergebnis eines sorgfältigen Studiums ist“, wird der Komponistin Scheidl-Hutterstrasser zugestanden.
Vom Wien des 20. Jahrhundets noch ein Sprung in die Gegenwart – nach Oberösterreich zu Ines Kargel. Die Linzerin studierte zunächst Schauspiel in Graz, widmete sich dann exzessiv dem Saxofonspiel und begann währenddessen auch zu komponieren. „Als Komponistin habe ich alle Klänge zur Verfügung, die Klangproduktion liegt in meiner Hand“, erklärt die Komponistin, die sich heute in der Computermusik und den elektronischen Medien musikalisch zu Hause fühlt. „Alles, was Klang hat“ erregt ihre Aufmerksamkeit: das können Geräusche in einer Fabrik sein oder die Unzahl von Klängen an einer belebten Straßenkreuzung, die sie aufnimmt, bearbeitet, verfremdet. Seit 1997 kann sie als Komponistin von ihren Aufträgen leben. Zur Zeit ist sie in der Schweiz bei einer Klangproduktion für die Schweizer Expo engagiert.