Die Zeit zwischen Karfreitag und dem Ostermorgen kann unheimlich lange dauern. Der palästinensische Priester Raed Abu-Sahlia beschreibt den „Samstag des Wartens“.
Leiden, Tod und Auferstehung bilden im christlichen Verständnis eine unteilbare Einheit, sozusagen eine österliche Gleichung aus drei Elementen. Doch sind es nicht vielmehr vier Teile? Denn wir können nicht vom Karfreitag zum Ostersonntag kommen, ohne den Karsamstag zu überspringen. Und dieser bedeutet nicht „ausruhen“ – wie es das arabische Verständnis von Samstag nahe legt –, sondern er ist vom „Warten“ geprägt. Deshalb heißt die österliche Gleichung vielmehr Leiden, Tod, Warten und Auferstehung.In Wahrheit musste Christus den ganzen Samstag im Grab liegen und die Erfahrung mit der Finsternis dieses Ortes machen. Unterdessen wurden die Jünger von Angst und Fassungslosigkeit gepackt. Bisweilen an den Rand der Verzweiflung getrieben, mussten sie darüber hinwegkommen, dass ihre Träume geplatzt waren. Ihr Meister war getötet worden, anstatt, wie sie es von ihm erhofft hatten, das Volk zu retten.
Wie lange noch?
Die Zeitspanne zwischen Tod und Auferstehung – der „Samstag des Wartens“ – ist ein verwirrender Zustand. Fragen über das Schicksal und die Zukunft jagen mir durch den Kopf, und dennoch setzte ich auf Hoffnung und Zuversicht. Es ist, als ob du ein Treffen mit einem Freund vereinbart hast. Du lebst in freudiger Erwartung dessen, was passieren wird, gleichzeitig könntest du enttäuscht werden, würde er nicht kommen. Die Zeit jedoch vergeht nur sehr langsam, und das Warten fällt schwer. Die Erfahrung lehrt uns, dass angenehme Momente mit Lichtgeschwindigkeit vergehen, während bittere eine halbe Ewigkeit dauern.Im Fall der Jünger Jesu wurde die Angst bald in Freude verwandelt, ihr Zweifel in Gewissheit und ihr Warten in eine Begegnung mit ihm. In unserem Fall aber, die wir heute in Jesu Heimat leben, dauert das Warten auf die Freiheit schon sehr lange: es dauert bereits Jahrzehnte, ohne dass sich für uns ein Licht im Tunnel auftut und Erlösung näher käme.Wir sind hineingeworfen in Verwirrung und Angst. Wir warten und sind in Verlegenheit. Die Finsternis der Unterdrückung und Demütigung verstärken den Eindruck, als ob für uns die Auferstehung nicht existieren würde. Alle sagen: „Es dauert schon so lang. Die Besetzung nimmt kein Ende.“ So warten wir ungeduldig unter dem Gespenst der Besetzung.Sollten wir verzweifeln oder die Hoffnung aufgeben? Es ist, ehrlich gesagt, eine kritische Situation. Und ich habe keine Lösung für den, der immer nur wiederholt, „wie schwierig das Warten ist“. Oder den, der das Warten ablehnt und sagt: „Derjenige, der die Prügel einsteckt, kann nicht verglichen werden mit demjenigen, der sie austeilt“ und damit Opfer einer Untergangsstimmung wird, weil „die bloße Hand keinen Panzer stoppen kann“. Könnten wir stärker sein als Israel, das mit den modernsten Waffen der US-Amerikaner kämpft? Ich habe aber auch keine Lösung für jenen Ertrinkenden, der um Hilfe brüllt und sich dabei an einen Strohhalm klammert und klagt: „Wenn du um Hilfe rufst, stößt du auf taube Ohren“, und verurteilt damit das versteinerte Gewissen der Menschen gegenüber einer unterdrückten Nation. Hingegen bekräftigen könnte ich die Entschlossenheit desjenigen, der meint, dass „kein Recht verloren geht, wenn immer ein Kläger dahinter ist. Auch denjenigen, der sagt: „Geduld ist ein Weg zur Befreiung.“ Oder wie es Jassir Arafat gerne ausdrückt: „O Berg, kein Sturm kann dich erschüttern“, denn der Sieg ist ein Verbündeter des absoluten Rechts und „absolutes Recht ist das Höchste und kann nicht abgelöst werden“.
Quelle der Hoffnung
Unabhängig wie sehr sich der „Samstag des Wartens“ in die Länge zieht: die Dämmerung des Sonntags wird anbrechen und all das Licht, Leben und die Auferstehung mit sich bringen. Patriarch Michel Sabbah hat das in seiner Predigt am Ostersonntag vergangenen Jahres so formuliert: „Auferstehung ist die unerschöpfliche Quelle der Hoffnung für uns. Weder militärische noch irgendeine andere Gewalt kann dieses unveräußerliche Recht verdrängen noch das Ebenbild Gottes ersetzen. Wenn auch heute Unterstützung gesucht wird in Macht und Stärke, die sich in Blockaden und Bombardements äußert, so sind das nur Mittel, die unsere Häuser zerstören und mehr Opfer hervorbringen können. Aber sie sind nicht in der Lage, die Hoffnung zu zerstören, die in uns wohnt.“ Wir Palästinenser warten schon lange und müssen noch zusätzliche Geduld aufbringen und weiter warten. Denn es gibt keinen Platz für Verzweiflung, wo das Leben ist, und es gibt kein Leben, wo die Verzweiflung ist. Das Leben kann so einengend sein, wenn es hoffnungslos ist! Wir sollten weiterhin auf die Hoffnung setzen und niemals die Erwartung verlieren, unabhängig wie lange das Warten noch dauert.