Haltung kleidet sich in Sprache. In den Worten äußert sich, wie Menschen denken und worüber sie nicht mehr nachdenken. In der politischen Diskussion ist es daher aufschlussreich, die Worte genau zu hören. – Ein leidenschaftliches Nachgehen der politischen Sprache mit zwei Beispielen.
Landesschulrats-Präsident Enzenhofer will – wie FPÖ und ÖVP – Deutsch als Pausensprache forcieren. Der Landesverband der Elternvereine steht dazu positiv, wie eine Tageszeitung am 19. Jänner meldete, die den Eltern-Obmann zitiert: „Wenn Kinder mit Migrationshintergrund angehalten werden, sich in den Pausen auf Deutsch zu unterhalten, wird die Sprache auch viel früher auf sie übergehen. Sie würden sich leichter tun im Deutschunterricht, wenn sie in den Pausen nicht wieder in ihre Muttersprache zurückfallen.“
Wir führen dazu ein „Nachschlag-Interview“ mit dem Spracherklärer Duden.
Was ist unter „Rückfall“ zu verstehen?
Duden: Rückfall ist ein erneutes Auftreten einer scheinbar überstandenen Krankheit oder das Zurückfallen in einen früheren, schlechteren Zustand oder – in der Rechtssprache – das erneute Begehen einer bereits begangenen und abgebüßten Straftat.
Und was bedeutet das Zeitwort „zurückfallen“ ?
Duden: Zurückfallen hat viele Bedeutungen. Es meint zum einen, wieder an den Ausgangspunkt fallen, nach hinten fallen, sinken. Besonders im Sport hat es die Bedeutung, dass man in Rückstand gerät oder auf ein niedrigeres Leistungsniveau sinkt. In der Sprache des Militärs meint es zurückweichen, zurückgeschlagen werden. Dann gibt es noch die Bedeutung: in einen früheren (schlechteren) Zustand, zu einer alten (schlechten) Gewohnheit zurückzukehren. Es kann auch bedeuten, sich nachteilig auf jemanden auszuwirken.
Muttersprache
Nach dieser Präzisierung durch den Duden sind wir ratlos: Denn das die Muttersprache verwendende Kind ist weder krank, in einem schlechten Zustand oder ein rückfälliger Bösewicht, noch sinkt es auf ein niedrigeres Leistungsniveau oder weicht gar vor dem Feind zurück. Kehrt es in eine schlechte Gewohnheit zurück...? Ist Muttersprache eine schlechte Gewohnheit?
Willkommenskultur
Auch die Forderung „Weg von der Willkommenskultur“, die der Vizekanzler in Zusammenhang mit der Haltung Österreichs den Asylsuchenden gegenüber formulierte, braucht Sprach-Klärung. Wir baten Wikipedia und den Philosophen Kant um eine Deutung.
Warum sollten wir von einer Kultur wegkommen. Was ist unter Kultur zu verstehen?
Wikipedia. Die Wortherkunft des lateinischen Wortes colere leitet sich ab von der indogermanischen Wurzel kuel- für „(sich) drehen, wenden“, so dass die ursprüngliche Bedeutung wohl im Sinne von „emsig beschäftigt sein“ zu suchen ist.
So wäre also „Weg von der Willkommenskultur:“ zu übersetzen: drehen wir uns, wenden wir uns ab vom Willkommen-Heißen.
Und wie erklärt ein Philosoph Kultur?
Kant (in Originalsprache). Es gibt einen Widerspruch zwischen Zivilisation und Kultur. – Wir sind im hohen Grade durch Kunst und Wissenschaft cultivirt. Wir sind civilisirt bis zum Überlästigen, zu allerlei gesellschaftlicher Artigkeit und Anständigkeit. Aber uns für schon moralisirt zu halten, daran fehlt noch sehr viel. Denn die Idee der Moralität gehört noch zur Cultur; der Gebrauch dieser Idee aber, welcher nur auf das Sittenähnliche in der Ehrliebe und der äußeren Anständigkeit hinausläuft, macht blos die Civilisirung aus.“
Man ist, das sagt uns Kant, vielleicht zivilisiert, aber damit noch nicht kultiviert.