Berufen? Ich doch nicht, ich bin doch ein ganz normaler Mensch! „Auch du bist ein/e Berufene/r“, sagt P. Maureder.
„Berufen? Ich doch nicht! Das ist nur etwas für fromme Seelen, die einen geistlichen Weg gehen wollen“, meint da ein junger Mann. „Solche Fragen stellen sich nur Jüngere, die noch vor ihrer Lebensentscheidung stehen“, betont eine Mutter und zeigt auf ihre Familie. Oder wie da neulich ein Arbeiter so um die Vierzig im Gespräch betonte: „Pater, ich bin ein ganz normaler Mensch!“– als ob ihn das Thema der Berufung dann nicht mehr berühren würde. Einerseits fühlen sich offensichtlich viele davon nicht betroffen, schieben Berufung einer Spezialgruppe zu, den Priestern, Ordensleuten und vielleicht auch noch den Diakonen und Pastoralassistenten/-innen. Andererseits wird Berufung manchmal alles genannt, was sich im Leben an Bindungen oder Arbeitsbereichen so ergeben hat. Jeder Job wird zur Berufung umgetauft. Jede Beziehung wird als „Bestimmung“ gesehen, auch wenn sie kaum mehr einen Bezug zum christlichen Glauben erkennen lässt. Für einige wenige hochstilisiert oder unterschiedslos auf alle angewandt – ist das Berufung? Biblisch gibt es ein Gerufen- und Berufensein, das alle angeht, wenngleich es nicht von allen auch gelebt wird.
Gerufen zum Leben:
Mensch seinEin Theologiestudent, dem es die letzten Monate nicht besonders gut ging, meinte auf meine Frage, was er sich von Gott wünsche: „Dass ich wieder lebe!“ Eine treffende Antwort. Seine Sehnsucht ist gewiss auch der Wunsch Gottes, die Absicht Gottes mit ihm. Gottes Grundabsicht mit mir und meinem Leben ist gut, er ist ein „Freund des Lebens“. Die Hl. Schrift sagt uns, dass Gott möchte, dass wir nicht bloß vegetieren oder ums Überleben kämpfen, sondern dass wir volles Leben finden (Joh 10,10). Sich selbst oder andere ungut zurechtzustutzen, als Waschlappen von der Wirklichkeit überrollt und „gelebt“ zu werden, oder hart und erstarrt im eigenen Schneckenhaus sitzen zu bleiben, entspricht nicht dem Willen Gottes mit dem Menschen. Die Botschaft Jesu ist eine Botschaft des Lebens. Dies ist die Grundberufung eines jeden Menschen, zu der er allerdings in Freiheit Ja oder Nein sagen kann. Er ist mitverantwortlich, dass sein Leben gelingt, dass er ganz und froh Mensch wird, wie Gott ihn als Ebenbild gedacht hat.
Berufen zur Freundschaft: Christ sein
Bei der großen Berufung der Zwölf (Mk 3,13–15) ruft Jesus die Jünger zu sich. Dreimal wird das „Bei-Ihm-Sein“ betont. Auch bei Johannes lädt Jesus die Suchenden zuerst ein, zu ihm zu kommen (Joh 1,35f). Ignatius von Loyola lässt um „innere Erkenntnis des Herrn bitten, damit wir ihn mehr lieben und ihm nachfolgen“. Diese Erkenntnis des Herzens wächst in der Pflege der Freundschaft: im Gebet, im Hören seiner Botschaft, im Tun seines Willens, im Teilen des Glaubens mit anderen, weil Er uns im Nächsten begegnet. Zu dieser Freundschaft sind alle Christen berufen, sie ist der „springende Punkt“ christlich fruchtbaren Lebens: „Denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen“ (Joh 15,5).
Gesandt in die Welt: Zeuge/-in sein
Wenn Menschen ihr Leben ganz bejahen und dankbar gestalten, wenn Christen zudem in eine persönliche Freundschaft mit Jesus Christus hineingewachsen sind, dann stelle ich fest, dass sie dieses Geschenk nicht mehr nur für sich behalten können. „Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben“ (Apg 4,20). Zeugnis von der Liebe Gottes geben, das ist in jeder Lebensform und Lebensaufgabe möglich. Ich bin überzeugt, dass jeder Christ eine unersetzbare Botschaft Gottes ist und etwas ganz Persönliches der Welt zu schenken hat. Dabei hört bei den vielen guten Möglichkeiten Gott nie auf, das Herz zu einer je größeren Hingabe an ihn und die Menschen zu bewegen. Als Berufene/r im christlichen Sinn lebt, wer seinen Alltag in Freundschaft mit Christus gestaltet und sein Leben in dieser Welt als großherzige Antwort auf das liebende Tun Gottes versteht.
J. Maureder
Berufen
P. Josef Maureder SJ, Autor der vierteiligen Kirchenzeitungs-Reihe zum „Jahr der Berufung“ ist Jesuit und Psychologe. Er ist für die Berufungspastoral seiner Ordensprovinz verantwortlich und leitet das Haus Manresa in Linz, einen Ort, wo Menschen ihre Berufung klären können.