„Freund der Kinder“ wird Bruder Lothar Wagner von den jungen Menschen, die auf den Straßen Freetowns leben, genannt.Der Salesianer Don Boscos ist mit seinem Team unermüdlich für sie im Einsatz.
Ausgabe: 2016/04, Sierra Leone, Salesianer Don Bosco, Lothar Wagner
26.01.2016 - Susanne Huber
Sonny ist abgehauen. Er hat es nicht mehr ausgehalten. Die Schufterei auf der Farm seiner Tante war hart. Drei Jahre lang. Sein Vater hatte die Familie verlassen, da war Sonny noch klein. Mit neun Jahren hat ihn seine kinderreiche Mutter an die kinderarme Tante gegeben. Er durfte nicht mehr zur Schule gehen, musste schwer arbeiten und wurde misshandelt. Also ist er geflüchtet und auf den Straßen von Freetown gelandet. Ganz allein hat er sich durchgeschlagen; hat Altmetall gesammelt und verkauft; hat auf dem Markt gestohlen. Der 15-Jährige kam mit Gewalt und Drogen in Kontakt. Hunger und Angst waren seine ständigen Begleiter. Die Suche nach einem sicheren Schlafplatz war jeden Tag aufs Neue eine Herausforderung.
Don Bosco Fambul
In Freetown, der Hauptstadt Sierra Leones, einem der ärmsten Länder weltweit, leben 4000 Straßenkinder. Salesianerbruder Lothar Wagner kennt viele von ihnen. Umgekehrt ist auch der gebürtige Deutsche bei den jungen Leuten bekannt –und anerkannt. „Unsere Sozialarbeiter sind Tag und Nacht unterwegs. Mit einem umgebauten Linienbus sind wir sehr mobil und versuchen möglichst viele Straßenkinder zu erreichen. Wir vertreten die Haltung, dass der beste Platz für jedes Kind die Familie ist. Also versuchen wir, sie wieder zu ihren Eltern zurückzuführen. Manchmal gelingt das sofort. Anderen Kindern, die jahrelang auf der Straße gelebt haben, die mit Drogen in Kontakt kamen, die Gewalterfahrungen gemacht haben, können wir eine 10-monatige Rehabilitation im Kinderschutzzentrum Don Bosco Fambul anbieten“, erzählt der „Freund der Kinder“, wie Bruder Lothar Wagner von den Straßenkindern genannt wird. Rund 100 von ihnen leben in dem Zentrum, unter ihnen ist auch Sonny. Er ist gerade dabei, ein neues Leben zu beginnen. Don Bosco Fambul wird von „Jugend Eine Welt – Don Bosco Aktion Österreich“ unterstützt. Die internationale Hilfsorganisation macht mit dem Tag der Straßenkinder am 31. Jänner auf die schwierige Situation dieser Kinder aufmerksam.
Ebola und Straßenkinder
Durch die Infektionskrankheit Ebola, die im März 2014 in Sierra Leone ausbrach, zur Epidemie wurde und mittlerweile offiziell überwunden ist, kam es im Land zu einer massiven Zunahme von Straßenkindern. Der Salesianerbruder sagt, „die Ursachen dafür sind, dass viele Haupternährer von Familien verstarben – nicht nur aufgrund von Ebola, sondern auch wegen anderer Krankheiten wie Malaria und Typhus. Krankenhäuser waren während der Krise geschlossen, Ärzte wurden für Ebola-Behandlungszentren abgezogen. Die Armut hat spür- und sichtbar zugenommen.“ Auch Schulen waren lange Zeit geschlossen und sind nun offiziell wieder geöffnet; aber vor allem Dorfschulen im Landesinneren, wo die Ebola gewütet und Lehrer dahingerafft hat, sind nach wie vor zu – weil neue Lehrer angestellt werden müssten, die Regierung aber die Gelder dafür nicht bereitstellt.
Traumjob
Bruder Lothar Wagner liebt seinen Beruf. „Ich erlebe einen aktualisierten Kreuzweg in der heutigen Zeit besonders bei Kindern und Jugendlichen mit großem Leid in Sierra Leone. Sie tragen das Kreuz von heute. Mit diesem Kreuz der heutigen Zeit in Berührung zu kommen bedeutet für mich, immer wieder Glücksmomente zu erleben, wo der Himmel auf Erden zu spüren ist. Das sind kleine Millisekunden, die mir immer wieder die Kraft und die Freude geben, dort präsent zu sein. Von da her ist das ein Traumjob, wenn man sein Leben, seine Profession, seinen Glauben so dicht miteinander verbinden kann.“
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