„Die Diözese Linz gewinnt ein großartiges Glaubenszeugnis“
Der Priester und Pädagoge Johann Gruber wurde 1939 verurteilt und im Konzentrationslager ermordet. Jetzt wurde er vom Gericht vollständig rehabilitiert. Was könnte das für die Diözese bedeuten?
Am 10. Mai 1938 wurde Johann Gruber verhaftet. Der Priester und Direktor der Katholischen Blindenanstalt in Linz wurde beschuldigt, die öffentliche Ruhe und Ordnung durch Kritik am nationalsozialistischen Regime gestört zu haben. Zusätzlich wurde ihm vorgeworfen, Pfleglinge des Blindenheimes sexuell missbraucht zu haben. Er setzte sich gegen das Urteil zur Wehr, konnte aber der NS-Todesmaschinerie nicht entkommen. 1944 wurde er – nachdem er im Lager Gusen ein heimliches Hilfswerk errichtet hatte – zu Tode gefoltert. Die Verdienste um seine Mitmenschen und sein Märtyrer-Tod wurden jedoch jahrzehntelang offiziell nicht wahrgenommen. Der Makel der sexuellen Belästigung haftete an ihm. Das wird sich nun ändern. Mit Beschluss vom 7. Jänner 2016 hat das Landesgericht für Strafsachen Wien Johann Gruber vollständig rehabilitiert.
Vorwürfe sind nicht haltbar
„Die Verurteilung Johann Grubers war ein Ausdruck nationalsozialistischen Unrechts, darüber gibt es nun keinen Zweifel mehr“, sagt Wolfgang Moringer. Der Linzer Rechtsanwalt, der sich intensiv mit der nationalsozialistischen Vergangenheit beschäftigt, hat 2010 den Antrag auf Rehabilitierung im Namen einer Verwandten von Johann Gruber eingereicht. Bereits 1999 wurde auf einen Antrag hin die Verurteilung wegen Verstößen gegen Ruhe und Ordnung außer Kraft gesetzt, jedoch nicht das angebliche Sittlichkeitsdelikt. Dieses stellte sich aber in der Recherche als unhaltbar heraus. Die damaligen Zeugenaussagen gegen Johann Gruber wurden erpresst. Nach dem Krieg meldete sich kein vermeintliches Opfer zu Wort. Zudem wurde festgestellt, dass das Sittlichkeitsdelikt während der NS-Zeit höhere Haftstrafen vorsah als für die Störung der öffentlichen Ruhe. Deshalb wurde es auch bei Personen angewendet, die politisch unliebsam, aber sonst unbescholten waren.
Ein Trost für Nachfahren
Initiiert wurde der Antrag auf Rehabilitierung vom „Papa Gruber Kreis“ in St. Georgen an der Gusen. „Der Beschluss ist auch ein Trost für die Nachkommen all der ‚namenlosen‘ Menschen, die durch die Unrechtssprechung der Naziherrschaft unsägliches Leid erdulden mussten“, sagt der Vorsitzende Christoph Freudenthaler. Seit 14 Jahren arbeitet der Kreis daran, den Priester einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Und nicht nur das: „Die Diözese Linz gewinnt mit Johann Gruber zusätzlich zum seligen Franz Jägerstätter einen weiteren Märtyrer und ein großartiges Glaubenszeugnis“, ist Christoph Freudenthaler überzeugt. Eine Hoffnung steht im Raum: dass Johann Gruber nun einen Platz im offiziellen Gedenken der Diözese einnehmen wird.
Zur Sache
Johann Gruber, ein Leben mit Zivilcourage
Dr. Johann Gruber (1889–1944), geboren in Grieskirchen, wurde mit elf Jahren Vollwaise. Er konnte das Bischöfliche Gymnasium in Linz besuchen und Theologie studieren. 1913 wurde er zum Priester geweiht. Ab 1919 studierte Johann Gruber an der Universität Wien das Lehramt für Geschichte und Geografie und unterrichtete an mehreren Schulen in Linz. 1934 ernannte ihn Diözesanbischof Johann Maria Gföllner zum Direktor der Katholischen Blindenanstalt. Vertraut mit der Reformpädagogik, die das Kind verstärkt in den Blickwinkel nimmt, wollte er die Ausbildung für blinde Kinder und Jugendliche erneuern. Damit stieß er bei Lehrenden und dem geistlichen Anstaltspersonal auf Ablehnung. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland1938 weigerte er sich, die Erklärung der österreichischen Bischöfe zu verlesen. Am 10. Mai 1938 wurde er verhaftet und wegen politischer und angeblich sittlicher Delikte zu zwei Jahren schweren Kerkers verurteilt. Nach der Haft in Garsten wurde er in Schutzhaft genommen und über die Konzentrationslager Dachau und Mauthausen in das Nebenlager Gusen deportiert.
Hilfswerk im KZ
Es gelang ihm, bei archäologischen Ausgrabungen mitzuarbeiten und heimlich Lebensmittel, Medikamente und Schulbücher in das Lager zu bringen. Legendär war die „Gruber-Suppe“, die er unter den Häftlingen verteilte. Sein „Hilfswerk“ wurde entdeckt. Lagerführer Fritz Seidler folterte Dr. Gruber drei Tage lang im Lagerbunker. Am Karfreitag, 7. April 1944 starb er an seinen Verletzungen. Sein Leichnam wurde im Lagerkrematorium verbrannt.
Helmut Wagner, Dr. Johann Gruber, Priester – Lehrer – Patriot, Wagner Verlag, Linz 2011.