Die Christen beginnen die Woche nicht mit Arbeit, sondern mit einem Fest. Der Sonntag sollte weder dem Druck der Wirtschaft noch dem Taumel der Erlebnisgesellschaft geopfert werden.
„Tiefgreifende Veränderungen in den Arbeitsprozessen, in der Art des Wirtschaftens, aber auch im Freizeitverhalten haben in letzter Zeit immer mehr zu einer Einebnung des Sonntags geführt. Diese Non-Stopp-Woche wird als neue Freiheit im Namen des Fortschritts angepriesen. Verschwiegen wird, dass dabei viel an Lebensqualität verloren geht.“ So schreiben die österreichischen Bischöfe in ihrem Hirtenwort zum Sonntag, das letztes Jahr veröffentlicht wurde. Wir bringen daraus einige Gedanken, auch als Anregung, die Urlaubszeit für eine persönliche „Sonntags-Bilanz“ zu nutzen.
Ein Fest zum Leben
Das älteste Fest der Christen ist der Sonntag. Erst später entstehen nach und nach die anderen Feste. Die Christen feiern den ersten Tag der Woche als den Tag, an dem Christus von den Toten erstanden ist. Die Apostelgeschichte berichtet, dass sie am „ersten Tag der Woche versammelt waren, um das Brot zu brechen“, also Eucharistie zu feiern. Nach dem Kalender der Christen endet die Woche nicht mit dem Sonntag, sondern sie beginnt mit ihm. Sie beginnt nicht mit der Arbeit, sondern mit einem Fest. Denn das Wichtigste im Leben können wir uns nicht erarbeiten, das gibt es nur als Geschenk. Wir verdanken Gott unser Leben und die ganze Welt. Der Auferstandene verbürgt uns ein Leben nach dem Tod. Er ist die Sonne des Sonntags, die auf die ganze Woche ausstrahlt.
Die Wurzeln pflegen
Die Feier des Sabbats im Volk Israel war für die damalige Zeit eine unerhörte soziale Tat: Sie garantierte allen arbeitenden Menschen wöchentlich einen arbeitsfreien Tag zur Erholung, zur Versammlung und zu gemeinsamer Gottesverehrung. Seit dem vierten Jahrhundert ist diese Tradition mit der Feier des Sonntags verwachsen. Aus dieser jüdisch-christlichen Wurzel hat sich das heutige Kulturgut Sonntag entwickelt: Ein Tag der gemeinsamen Arbeitsruhe, ein Tag, der dem Leben Rhythmus gibt, ein Tag zur Pflege menschlicher Beziehungen, ein Tag zur Erholung für Körper und Geist, ein Tag zur Wahrnehmung der umfassenden Wirklichkeit unseres Lebens, ein Tag zur Feier der Auferstehung Christi. Darum ist der Sonntag den Christen heilig. Er ist nicht ein beliebiger arbeitsfreier Tag, er ist geprägt von der Auferstehung. Es ist unvertretbare Aufgabe der Christen, diese Wurzeln zu pflegen und den Sonntag von innen her lebendig zu erhalten. In der Eucharistie feiern wird in besonderer Weise Jesu Tod und Auferstehung. Sie ist aber auch der Ort, wo die Gemeinschaft verkündet und gepflegt wird. Durch die Teilnahme an der Eucharistie wird der Tag des Herrn auch der Tag der Kirche, die auf diese Weise ihre Rolle als Sakrament der Einheit wirksam spielen kann.
Ein Gut ersten Ranges
Der Sonntag ist aber mehr als ein Fest der Christen, er gehört zu den wichtigsten Beiträgen des Christentums zur Kultur unserer Gesellschaft, er trägt maßgeblich zur Qualität menschlichen Zusammenlebens bei. Als gemeinsamer Ruhetag hat der Sonntag in der heutigen Gesellschaft eine soziale Bedeutung ersten Ranges. Er ist ein Signal dafür, dass sich menschenwürdiges Leben nicht in Arbeit und im Erwerb von materiellen Gütern erschöpft. Er dient der Festigung des gesellschaftlichen Zusammenhaltes in der Familie, in der Nachbarschaft, in den freien Vereinigungen und den verschiedenen Institutionen. Gerade in einer Gesellschaft mit zunehmender Individualisierung der Lebensent- würfe müssen Räume und Zeiten der „Wir-Erfahrung“ erhalten bleiben, nicht nur in kirchlichen Feiern, sondern auch in gemeinsamen Festen am Ort und in der Begegnung von Menschen und gesellschaftlichen Gruppen. Diese gesellschaftsstiftende Bedeutung der Sonn- und Feiertage gilt vor allem auch für den Zusammenhalt der Familie.
Ein Segen für das Land
Im Schöpfungsbericht heißt es: Gott segnete den siebten Tag und machte ihn heilig. Dieser Segen über den Sabbat ist in den Sonntag eingegangen. Die Wirtschaft hat dem ganzen Land viel Gutes gebracht; das darf nicht dadurch zum Unsegen werden, dass Menschen die innere Freiheit gegenüber den materiellen Gütern verlieren. Der Sonntag ist ein Symbol der Freiheit. Der Segen Gottes über diesen Tag soll auch in Zukunft unserem Land geschenkt sein.
AKTION
Schneller leben?
Immer mehr Menschen leiden unter Zeitnot. Eine Ausweitung von Ladenöffnungs- und Produktionszeiten auf Kosten der gemeinsamen freien Zeit würde diesen Druck, der sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt hat, weiter verschärfen. Deshalb ist der gemeinsame arbeitsfreie Sonntag für die Lebensqualität so wichtig. Er schafft „freie Zeit zu leben, freie Zeit zu feiern und freie Zeit zu handeln“, betont die „Allianz für den freien Sonntag“. Ihre Kampagne „Schneller leben?“ will darauf aufmerksam machen.
Informationen und Unterschriftenlisten für den freien Sonntag: Kath. Sozialakademie, Schottenring 35, 1010 Wien; www.sonntag.at