„Schickt mich dorthin, wo ich gebraucht werde.“ Vor 40 Jahren bekam Hermann Raich den Auftrag, nach Ozeanien zu gehen. Von Anfang an hat sich der Tiroler dort zu Hause gefühlt – nicht nur wegen der Berge.
Noch vor der Priesterweihe erhielten wir Steyler Missionare die Missionsbestimmung. So sollte ich 1962 drei Wünsche äußern. Ich entschied mich für die Philippinen, Indonesien oder Argentinien. Von der Ordensleitung in Rom kam daraufhin die Rückfrage: „Würdest Du auch nach Kongo in Afrika oder Papua-Neuguinea in Ozeanien gehen?“ „Schickt mich dorthin, wo ich gebraucht werde“, antwortete ich. So bekam ich die Bestimmung für Papua- Neuguinea. Eine Entscheidung, die ich seither noch keine Sekunde bereut habe.
Hineingeworfen
Sofort nach meiner Ankunft 1964 schickte mich der Bischof in ein Gebiet, das erst kurz zuvor von der australischen Kolonialverwaltung für die Missionsarbeit freigegeben worden war. Die Bevölkerung, sehr freundlich und für das Religiöse aufgeschlossen, lebte in dieser Gegend noch in der Steinzeit. Da es keine Missionsstation gab, musste ich alles von Grund auf beginnen. Kleine Stationen für den Katechumenenunterricht entstanden. Und eine Volksschule sowie ein kleines Spital kamen später hinzu. Um mein Pfarrgebiet zu besuchen, war ich immer wenigstens zwei Wochen unterwegs – alles zu Fuß in dschungelartiger Umgebung auf 2000 bis 3000 Metern Seehöhe. Als nach 16 Jahren ich eine neue Aufgabe erhielt, lebten in meiner Pfarrei bereits 2000 Katholiken. 1982 entstand im westlichen Teil des Hochlandes von Mount Hagen die neue Diözese Wabag. Ich wurde zu ihrem ersten Bischof ernannt. Jedoch hatte ich nicht mehr als 16 Pfarreien. Es gab weder Strukturen noch einen Pastoralplan, weder ein Bischofshaus noch irgendeinen Büroraum. Wir hatten immer zur Diözese Mount Hagen gehört. Plötzlich jedoch waren wir unabhängig. Wir wurden hineingeworfen und mussten einfach schwimmen. Wir haben keine Strukturen übernommen, waren aber dafür auch an nichts Vorgegebenes gebunden. Wir konnten uns selber einen Plan erarbeiten. Und ich glaube, wir haben in kurzer Zeit gute Fortschritte gemacht.
Sprachengewirr
Von Anfang an habe ich mich hier in Papua-Neuguinea zu Hause gefühlt, weil ich versucht habe, offen zu sein für alle Möglichkeiten. Ich habe mir keine Vorstellung gemacht, wie es sein wird oder sein könnte. Ich habe alles auf mich zukommen lassen. Ich fühle mich hier wohl – nicht nur wegen der Berge. Trotz sprachlicher Schwierigkeiten habe ich auch zu den Menschen sehr schnell Kontakt gefunden. Denn ein Hindernis für die Verkündigung ist noch immer das Sprachgewirr. Es gibt in Papua-Neuguinea 600 verschiedene Sprachen, die Dialekte mitgerechnet, sind es über 800. Deshalb ist es sehr wichtig, zu einer einheitlichen Nationalsprache zu finden. Wie es jetzt aussieht, wird es das „Pidgin Englisch“ sein, das fast alle Jungen neben ihrer Muttersprache sprechen . Seit der Unabhängigkeit 1975 strömt viel Neues, Fremdes und Unbekanntes auf die Menschen hier ein. Politik, Wirtschaft, technische Errungenschaften, Ausbeutung von Bodenschätzen, Massenmedien. Sie können dies nur schwer verkraften. Sie sind verwirrt. Die Leute stehen noch immer mit einem Fuß in ihrer Tradition und Vergangenheit, mit dem anderen in der Neuzeit. Das Neue verstehen sie noch nicht recht und können es nicht wirklich in den Griff bekommen. Das Alte jedoch hat viel von seiner Bedeutung verloren und trägt nicht mehr. Wir müssen ihnen noch sehr helfen, sich in dieser neuen Zeit zurecht zu finden.
Blühende Gemeinden
Die Erfahrungen, die ich in all den Jahren in Papua Neuguinea gemacht habe, waren sehr abwechslungsreich aber auch nicht immer nur gut und schön. Sie haben meine Berufung vertieft und gefestigt. Ich schätze und liebe die Menschen, die es oft so schwer haben sich in dieser neuen Zeit zurechtzufinden. Der Same des Wortes Gottes hat in Papua-Neuguinea Wurzeln geschlagen, ist aufgegangen und trägt Früchte. Wir haben blühende Gemeinden. Der christliche Glaube wird gelebt. Es ist eine großartige Sache, Missionar zu sein und die Frohbotschaft Christi verkünden zu dürfen. Ich vermute, dass wir aber auch hier stürmischen Zeiten entgegengehen. Aber wir hoffen und beten, dass Politik, Wirtschaft und negative westliche Einflüsse nicht allzu viel Schaden in Papua-Neuguinea anrichten werden.