„Entwicklungshelfer – mehr als ein Job“ stimmt für Reinhard Heiserer
Ausgabe: 2002/34, Ekuador, Entwicklungshelfer
20.08.2002 - Reinhard Heiserer
Als Elektrotechniker kam Reinhard Heiserer vor zehn Jahren nach Ekuador. Die Straßenkinder in Quito haben seinen neuen Beruf geprägt.
Um 17.00 Uhr treffen wir uns in der Kapelle des Straßenkinderzentrums. 50 ehemalige Straßenkinder, Erzieher und Salesianer treffen sich zum Gebet, bevor wir uns in eine endlose Schlange von Pilgern einreihen. Wir sind unterwegs zur Jungfrau von Quinche, wohin die Gläubigen von Quito ziehen. 40 und mehr Kilometer Nachtwallfahrt liegen vor uns. Gegen 3 Uhr früh erreichen wir das hell erleuchtete Marienheiligtum. Regelrechte Volksfeststimmung herrscht hier und Tausende drängen sich zur Virgen. Der Gottesdienst gibt mir Zeit, um zu danken und zurückzublicken. Die Lieder tönen zum Himmel. Eine große Befriedigung über die gemeisterte Herausforderung breitet sich in mir aus. Ich fühle, ich bin am richtigen Platz.
Hauptschule, Poly, Fachschule für Elektrotechnik, mehrere Jahre Berufspraxis in großen Industriebetrieben, und dann die Abendschule: wenig deutet 1991 darauf hin, dass ich bald in die Entwicklungshilfe gehen würde. Angeregt durch das Vorbild mehrerer Außerferner Jungscharführer und die einschlägige Lektüre, reifte schon früh in mir dieser Wunsch.
Sechs Wochen Nigeria
Die Werbung des ÖED versprach „Entwicklungshelfer – mehr als ein Job“. Freunde und bekannte Priester sprachen von der Berufung, die ein solcher Einsatz erfordert. Karrierepläne, Freundschaften, Zukunftspläne, persönliche Eignung und Motivation – Zweifel kamen immer wieder auf, wenn es darum ging, einen klaren Weg zu finden. Das christliche und lebensbejahende Umfeld half mir jedoch, die richtigen Entscheidungen zu finden.
Ich fasste den Entschluss, sechs Wochen für einen Arbeitseinsatz nach Nigeria zu gehen. Dachte ich vorher, entweder Kurzeinsatz Nigeria oder drei Jahre Entwicklungshelfer, so stand nach meiner Rückkehr fest: Auf jeden Fall ein längerer Einsatz! Ich wollte lernen und mithelfen, kennen lernen und weitergeben.
Bald stand fest, dass ich mit dem ÖED (heute Horizont3000) nach Ekuador gehen und in einem Projekt für Straßenkinder der Salesianer Don Boscos mitarbeiten werde. Eine Entscheidung, die sehr weit reichende und positive Folgen für mich haben sollte. Im Berufsausbildungszentrum für Straßenkinder in Quito, wo ich eine Elektrowerkstatt leitete, fand ich meine Heimat. Bald begeisterte mich die Arbeit der Salesianer für die benachteiligten Jugendlichen dermaßen, dass ich mich mehr als nur 100-prozentig damit identifizierte.
Das Beispiel der Ordensleute überzeugte mich. Da war der junge P. Eduard, der Ideen und noch mehr Ideen hatte und, entgegen traditioneller Vorbehalte, auch viele umsetzte. Er schaffte es, das Problem der Kinderarbeit und die Not der Straßenkinder landesweit bekannt zu machen. Ihr Engagement, ihre unorthodoxen Methoden und ihr Optimismus aus christlicher Hoffnung – trotz Schwierigkeiten – waren mir Vorbild. Ich war an einem Ort, der zwar große Anforderungen an mich stellte, aber mich in meinem Sein und Tun zufrieden stellte.
Die alltäglichen Aufgaben mit den Straßenkindern, aber auch das Erleben von Erfolgen und Enttäuschungen waren für mich Anreiz und Herausforderung. Sei es, dass Kinder wieder absackten und zum wiederholten Mal auf der Straße landeten, oder sei es, dass ehemalige Bandenführer nach mehreren Jahren zu fürsorglichen Familienvätern und engagierten Gemeindemitarbeitern heranwuchsen. Das beschäftigte mich derart, dass aus den geplanten drei schlussendlich fünf erfüllte Jahre in Ekuador wurden.
Ein ganz neuer Beruf
War ich ursprünglich als Elektrotechniker für die Berufsausbildung gekommen, so war am Ende das Bekanntmachen des Projektes eine zusätzliche Aufgabe. In dieser Zeit wandelte sich auch die Vorstellung von meiner persönlichen Zukunft. Der Techniker trat immer mehr in den Hintergrund. Mitarbeiten, dass andere helfen können, war mein neues Ziel. Wieder in Österreich zurück, arbeite ich als Laie bei den Salesianern Don Boscos. Durch meine in Ekuador gewonnen Erfahrungen kann ich mithelfen, dass das Leben junger Menschen in Ländern aller Kontinente gelingt.
Vor zehn Jahren als Techniker in die Welt gefahren, fünf Jahre Sozialarbeiter in Ekuador, bin ich heute Laienmitarbeiter der weltweit tätigen Ordensgemeinschaft. Nicht nur ein bewegter Berufsweg, sondern ein Wandel in der Berufung, der seinen Anfang nahm, als ich mich erstmals mit grenzüberschreitenden Themen beschäftigte.
Infos über Auslandseinsätze: Reinhard Heiserer, Tel. 01/878 39-533 www.jugendeinewelt.at