Ich glaube an Jesus Christus – Annäherung an einen Unbekannten
Ausgabe: 2002/45
05.11.2002
Wer ist dieser Jesus? An dieser Frage bissen sich nicht nur die Zeitgenossen die Zähne aus. Sie stellt sich auch uns und fordert zur Antwort heraus.
Er lässt sich nicht in Begriffe fassen. Keines der gängigen Bilder und keine der so gern gebrauchten „Schubladen“ passen auf ihn. Zu sperrig, zu kantig, zu spannungsvoll ist er. Faszination geht von ihm aus, aber zugleich auch Abstoßendes und Konfliktreiches. Schärfe und Klarheit sind in seinem Denken und Auftreten, ebenso zärtliches Mitleid und Verständnis. Radikale Forderungen kommen aus seinem Mund; zugleich ist er großzügig im Umgang mit Ge- und Verboten. Er spricht vom nahen Gericht und setzt zugleich auf Zeit und Chance.
Gott ist angekommen
Eine Annäherung an Jesus von Nazaret ist alles andere als einfach. Als sicher kann gelten, dass er im Jahr 6 oder 4 v. Chr. geboren wurde. Das Neue Testament kennt den Namen seiner Eltern: Josef und Maria. Die Evangelisten Markus und Mathäus wissen auch von Schwestern Jesu und nennen die Namen seiner Brüder: Jakobus, Josef, Simon und Judas (laut Katechismus der kath. Kirche sind damit nahe Verwandte gemeint). Jesus wuchs in Galiläa auf, in dem kleinen Dorf Nazaret. Er selbst übte – wohl bis zu seinem Auftreten – den Beruf eines Bauhandwerkers aus. Wahrscheinlich war er eine Zeit lang ein Jünger Johannes’ des Täufers. Zwischen 26 und 29 n. Chr. begann Jesus dann in der Öffentlichkeit zu wirken. Er sammelte Männer und Frauen um sich und zog – heilend und predigend – vor allem im Gebiet um den See Gennesaret umher. Auch Kinder gehörten zu seiner Gefolgschaft.
Aber damit ist das „Geheimnis“ des Nazareners noch nicht angesprochen. Vor und nach Jesus gab es ebenso Männer, die aus ihrem Leben aufbrachen, Anhänger um sich sammelten, lehrten und sogar heilten. Das, was Jesus von diesen Männern – trotz mancher Übereinstimmungen – aber unterscheidet, ist seine Grundüberzeugung, sein Lebensprogramm, nämlich: Gott und seine Herrschaft sind im Kommen – ja, die Herrschaft Gottes beginnt bereits jetzt, in den Taten und Worten des Jesus von Nazaret.
Während Johannes der Täufer im Kommen Gottes den „kommenden Zorn“ sah, verband Jesus mit dem Kommen Gottes mehr als das Gericht. Das Kommen Gottes bedeutete für ihn zu allererst Heil, Aufleben, Freude, neue Chance für den Menschen. Zwei „Baum-Gleichnisse“ machen den Unterschied deutlich: Der Täufer vergleicht das Kommen Gottes mit einer Axt, die schon bedrohlich an die Wurzeln der unfruchtbaren Bäume gelegt ist. Bei Jesus hingegen erhält der eigentlich schon dem Untergang geweihte unfruchtbare Feigenbaum noch eine Chance. Es soll sogar der Boden um den Baum herum aufgegraben und gedüngt werden (Lk 13,8), damit er doch noch seine Früchte bringen kann. Das Kommen Gottes, seine Herrschaft, ist also eine unverdiente Wohl-Tat, eine Chance, ein Gewinn für die Menschen und ihr Leben. Ein Um-Denken, ein Um-Kehren lohnt daher.
Vor allem mit Hilfe von kleinen Dichtungen ließ Jesus seinen Hörern die – so überraschend andere – Herrschaft Gottes erahnen, suchen, im eigenen Leben entdecken. Die neue, alles verwandelnde Herrschaft Gottes erfuhren Menschen bei Jesus auch „hautnah“, indem er Gemeinschaft mit jenen suchte, die sonst „ausgeladen“, gemieden oder alleine gelassen waren.
Er öffnet Zugänge
Die Texte aus den Evangelien zeigen, wie sehr durch seine Zuwendung – aber auch Widerrede – ein neues Sehen, ein sensibles Hören, ein tieferes Buchstabieren des Lebens, eine ungekannte Beweglichkeit, ein Ja zu sich und den anderen möglich wurden – und damit untrennbar verbunden ein neuer Zugang zu Gott. In allem, was der Mann aus Nazaret tat und sagte, begegnete eine Gottesunmittelbarkeit, die neu war. Das zeigt sich besonders deutlich in Jesu „skandalöser“ und „anmaßender“ Sündenvergebung. Diese war im Judentum nur Gott vorbehalten. Gottfried Bachl drückt die ungewöhnlichen Erfahrungen der Menschen mit Jesus mit einem ungewöhnlichen Wort aus: Wo Jesus war, hat es „ge-gott-et“. Gerade das wurde dem Mann aus Nazaret aber zum tödlichen Verhängnis.
Das Credo
In dieser Nummer lesen Sie die fünfte Folge einer zehnteilige Reihe zum Glaubensbekenntnis (Credo). Autor ist Mag. Stefan Schlager, Referent für theologische Erwachsenenbildung in der Diözese Linz.