Es ist an der Zeit, dass der Papst Änderungen herbeiführt
Millionen Menschen haben Papst Franziskus bei seinem Besuch in Mexiko zugejubelt. Die KiZ bat den oberösterreichischen Diözesanpriester Franz Windischhofer, der seit 35 Jahren Pfarrer in Peru ist, um eine Analyse der Reise.
Ausgabe: 2016/08, Papst, Windischhofer, Mexiko, Peru,
23.02.2016
„Papst Franziskus versteht es hervorragend, auf die Leute einzugehen, ihnen nahezukommen. Da ist er ganz Lateinamerikaner. Das hat man in Mexiko wieder gesehen, als er im Gefängnis war, mit den Indios Messe gefeiert und die Jugendlichen ermutigt hat. Die Menschen sind von ihm begeistert.
Die entscheidende Frage besteht aber darin, wie man die Leute zu einer persönlichen Begegnung mit Christus führt. Das Christentum in Lateinamerika ist stark von Folklore und Brauchtum geprägt. Aber das reicht nicht. Die Leute brauchen die Freundschaft mit Christus, die uns dann ‚bekehrt‘ und ‚verwandelt‘. Wenn sie den Glauben nicht als Tradition, sondern als erfülltes Leben erfahren, wenn sie Sinn und Halt finden, wenn sie in ihrer Gemeinde ein Zuhause, Heimat erleben, dann werden sie nicht zu den Drogen greifen, dann werden sie sich nicht auf Korruption und krumme Geschäfte einlassen und letztlich auf Kosten der anderen, vor allem der Armen, leben.
Weltverantwortung zurückgewinnen
Von Christus erfüllte Menschen werden von selbst zum politischen Handeln kommen und sagen: Wir haben eine Verantwortung für die Gestaltung der Welt, unseres Dorfes, unseres Stadtviertels, uns einzusetzen für gerechte Lebensverhältnisse für alle. Es fällt uns – in ganz Lateinamerika – jetzt sehr auf den Kopf, dass vor allem seit Papst Johannes Paul II. diese ‚politische Dimension‘ des Glaubens, die sich eben auf das Gemeinwohl aller bezieht, in der Kirche eliminiert wurde. Ich rede gar nicht von der Befreiungstheologie, sondern nur von der politischen und sozialen Dimension, die untrennbar zum Glauben gehört: ‚Glaube und Werke‘. Die müssen wir zurückgewinnen, aber das geht nicht durch Worte, nur durch Begleitung.
Dabei dürfen wir nicht in traditionellen Bahnen bleiben, wir müssen etwas riskieren, neue Wege gehen, hinausgehen, Lärm machen, wie Papst Franziskus selber sagt. Das gilt für die Kirchenstrukturen in derselben Weise wie für das persönliche Leben. Die Leute wandern von der katholischen Kirche scharenweise zu den Sekten ab. Wir bräuchten dringend mehr ständige Diakone, Katechisten und Priester. Aber eine Änderung der Zulassungsbedingungen für das Priesteramt, die dazu notwendig ist, kann wirklich nur von Rom kommen. Ich erwarte mir, dass Papst Franziskus mutig etwas riskiert und eine Änderung herbeiführt. Nach drei Jahren im Amt ist es aus meiner Sicht Zeit für konkrete Schritte.
Bischöfe in der Pflicht
Papst Franziskus hat den über 170 mexikanischen Bischöfen ganz schön den Kopf gewaschen. Bischöfe dürfen keine Fürsten sein, hat er gemahnt. Da hat er recht. Man braucht sich nur den Führungsstil eines Großteils der Bischöfe auf unserem Kontinent anzuschauen. Ich würde mir hier eine konsequente neue Praxis in der Ernennung von Bischöfen erwarten. Die sehe ich noch nicht, aber das steht an.
Ich möchte jedoch nicht mit dem Finger auf die Bischöfe zeigen. Was der Papst ihnen gesagt hat, gilt ebenso für mich als Pfarrer. Auch ich muss meinen Führungsstil immer wieder an Christus ausrichten und mich bekehren.
Geschiedene Wiederverheiratete
In Mexiko ist Papst Franziskus auch mit einem geschiedenen wiederverheirateten Paar zusammengetroffen. Der Papst hat sehr verständnisvoll mit ihnen gesprochen. Das gehört für mich zur Mahnung des Papstes an die Bischöfe, die Not der Menschen zu lindern und ihnen näher zu sein. Ein großes Problem und eine große Notsituation für viele Menschen ist hier die Situation der Geschiedenen und Wiederverheirateten oder vor allem derer, die einfach zusammenleben und daher von den Sakramenten ausgeschlossen sind. Wir haben sehr wenige kirchliche Trauungen. Aber sie wollen zur Beichte gehen, zur Kommunion … dies bedeutet ihnen sehr viel.
Die Menschen hier haben einen ganz tiefen Glauben und leiden wirklich an den kirchlichen Normen. In unserem Umfeld wäre es aber undenkbar, dass ich von der geltenden Lehre der Kirche abweiche. Erst kürzlich habe ich mit einer Frau gesprochen, die seit 30 Jahren nicht zur Beichte und Kommunion gehen kann, ihr Lebenspartner ist geschieden und sie können nicht kirchlich heiraten. Dabei kommen beide jeden Sonntag in den Gottesdienst und sind auch sonst sehr engagiert in der Pfarre. Das Gespräch mit ihr ist mir sehr nahegegangen und ich habe da gespürt wie sie beide unterdieser Situation leiden. Ich habe sie auf das Schreiben des Papstes verwiesen, das jetzt für März als Ergebnis der Familiensynode angekündigt ist, und ich hoffe, dass der Papst darin einen Weg für sie eröffnet.
Dass viele Gemeinden in ganz Mittel- und Südamerika, nicht nur in Mexiko, wegen desw Priestermangels selten Eucharistie feiern können, halte ich für eine Katastrophe, denn die Eucharistie ist Zentrum und Quelle unseres Glaubens und hilft uns, unseren Egoismus, unsere Grenzen zu sprengen, die uns gefangen halten. Sie verbindet uns mit Christus, der sich hingibt. Die Eucharistie macht auch uns fähig zur Hingabe, zur Liebe und Solidarität. Wo Eucharistie gefeiert wird, da wird der Egoismus aufgesprengt, Gemeinschaft gebildet und „Heimat“ und Geborgenheit erfahren. In der Eucharistie „greifen“ wir Gottes Barmherzigkeit, die dann uns befähigt, barmherzig zu sein. Das ist das Anliegen dieses Jubiläumsjahrs der Barmherzigkeit, das ist so wichtig im Umgang mit Immigranten. Stecken nicht letztlich das Fehlen der Barmherzigkeit, der Egoismus und die Gier nach Geld hinter all den Ursachen der Probleme, die der Papst angesprochen hat: Korruption, Macht, Drogen … Wo die Eucharistie nicht regelmäßig gefeiert wird, laufen wir in Gefahr,uns abzukapseln, unsere Egos zu leben.“