Die Seligsprechungsakte für den Gewissensmartyrer Franz Jägerstätter liegt seit einem Jahr in Rom. Dr. Erna Putz hat sein Leben ins Licht der Öffentlichkeit gerückt – und erhielt dafür den Solidaritätspreis der Kirchenzeitung.
„Es war mir, als würden meine Hände zu brennen beginnen, wenn ich das nicht weitergäbe.“ So empfand es Erna Putz, damals Redakteurin der Kirchenzeitung, als sie jenes Bündel Papier Blatt für Blatt zu lesen begann, das ihr Franziska Jägerstätter in die Hände gedrückt hatte. Aufzeichnungen und Briefe des am 9. August 1943 hingerichteten Franz Jägerstätter waren es. Das Leben der Erna Putz war von diesem Tag an eng verknüpft mit jenem von Franz und Franziska Jägerstätter.
Dr. Erna Putz, geb. 1946 in Ohlsdorf, war Religionslehrerin und Journalistin. Später übernahm sie die Haushaltsführung im Pfarrhof Ostermiething. Ihr gelang es, den damals von vielen als „Spinner“ eingestuften Franz Jägerstätter in der Tiefe seines Glaubens und seines Denkens zu zu verstehen und ans Licht zu rücken. „Als Pfarrerköchin konnte ich diese Arbeit ideal kombinieren.“ Erna Putz wurde zur Jägerstätter-Biographin.
Seit 1983 gibt es um den 9. August – Jägerstätters Todestag – in St. Radegund die jährlichen Jägerstätter-Gedenken – mit einem Jägerstätter-Seminar und mit der Fußwallfahrt. Bereits jetzt laufen die Vorbereitungen für die Wallfahrt im kommenden Jahr 2003. Zum sechzigsten Mal wird sich Franz Jägerstätters Todestag jähren.
Diese Wallfahrt ist für viele zu einem Weg der Versöhnung mit der eigenen Geschichte geworden. Immer mehr Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg kommen dazu nach St. Radegund. Das ist als umso bemerkenswerter, weil ja Franz Jägerstätter, der sich seinem Gewissen verpflichtet sah, den Dienst mit der Waffe für den ungerechten Krieg Hitlers verweigert hatte. Der Pfarrhof Ostermiething ist längst zum offenen Haus für Jägerstätter-Interessierte aus aller Welt geworden. Oft stehen sie nach stundenlanger Fahrt einfach vor der Tür – und sie finden hier eine Gesprächspartnerin.
Seit dem Vorjahr liegen die Seligsprechungs-Prozessakten über Franz Jägerstätter in Rom. Für Erna Putz ist es wie eine Erleichterung – was sie einst in den Fingern brennend empfand, konnte sie nun aus der Hand geben.
Dass sich heute Theologen mit Jägerstätter beschäftigen, dass Künstler sich seiner Persönlichkeit angenommen haben, freut Erna Putz. Die tiefste Dankbarkeit empfindet sie für Franziska Jägerstätter, die im kommenden Jahr ihren 90. Geburtstag feiert. „Ich weiß, was sie zu überwinden hatte, als sie ihr Innerstes aufgemacht hat, um das Kostbarste, das sie hatte, in die Welt hinauszulassen: ihren Franz Jägerstätter.“
MEDITATION
Tauet, Himmel
1941/42 hat Franz Jägerstätter zum Adventlied „Tauet, Himmel“ folgende Gedanken geschrieben:
Nur für kurze Zeit singen wir dieses Lied und bald feiern wir wieder das frohe Weihnachtsfest. Christus hätte zwar allen Menschen Friede und Befreiung gebracht, und doch sind es nicht viele, die jährlich frohe Weihnachten feiern, weil in ihrem Herzen der Friede fehlt. Der Friede sei mit euch, hat Christus einst zu den Aposteln gesagt. Haben vielleicht diese Worte für uns jetzige Christen keine Geltung mehr, weil schon fast die ganze Welt im Unfrieden lebt! Wieder hat es den Anschein, als lebten wir noch im Heidentum und Christus muss erst geboren werden und kommen, uns zu erlösen ... Christus hätte zwar allen Menschen den Frieden gebracht, doch werden ihn nur die erhalten, die guten Willens sind ... Es liegt daher jetzt ganz in uns, wenn wir den Frieden nicht mehr haben. So glücklich, lehrt uns der hl. Antonius, ist kein Glücklicher und so selig ist kein Seliger, als der, welcher Christus im Herzen trägt ... Wollen wir den Frieden für uns und auch für andere, so müssen wir trachten, gänzlich jenem nachzuahmen, der uns den Frieden gebracht hat; ...
Aus: Erna Putz (Hg.), Gefängnisbriefe und Aufzeichnungen