Was hilft Kindern, die hochsensibel sind? – Ingrid Parlow beantwortet Fragen dazu. Sie ist Obfrau des Vereins „Zart besaitet“. Der Verein bietet hochsensiblen Menschen Orientierung.
Hochsensible Kinder sind meist kreativ, einfühlsam, lärmempfindlich. Sie wirken einerseits oft schüchtern, überspielen andererseits mit Aggressionen ihre Befindlichkeit. Was tut ihnen gut? Ingrid Parlow: Wenn sie einen schönen Rückzugsort haben – ein eigenes Zimmer, eine Ecke, ein Baumhaus – und viel Zeit in der Natur verbringen können, das tut ihnen gut – auch aktiv: mit Gärtnern, Tiere pflegen, Reiten, Klettern. Wenn sie viel Interessantes erleben können, das nicht mit Wettbewerb zu tun hat, wie kreatives Werken, Musizieren, interessante Menschen kennenlernen z.B. einen Handwerker bei der Arbeit erleben, ein Orchester, einen Bauernhof oder die Eltern am Arbeitsplatz besuchen. Alles, was den Horizont und das Weltbild in positiver Weise erweitert. Viele Eltern meinen, ein Gruppensport sei zu rau für ihr hochsensibles Kind, aber die Erfahrung hat gezeigt: Wenn der geeignete Sport gefunden wurde, dann gibt das Team Halt und Zugehörigkeit, und auch die soziale Anerkennung steigt.
Hochsensible Kinder fühlen sich oft fremd, alleine in dieser Welt, als gehörten sie nicht dazu. Was brauchen sie besonders? Parlow: Zugehörigkeit ist ein wichtiger Punkt: Weil Hochsensible ohnehin sehr oft die Erfahrung machen, „anders“ zu sein, tut es ihnen sehr gut, wenn sie wo verlässlich „dazugehören“ und eine definierte Rolle haben. Eltern können zu Hause sehr viel dazu tun, indem sie das Zugehörigkeitsgefühl in der Familie stärken: mit regelmäßigen Ritualen wie einem ausgiebigen Frühstück mit der erweiterten Familie am Wochenende, mit Familienzusammenkünften, mit regelmäßigen Feiern zum Geburtstag, zu Weihnachten, die einem wohlbekannten Ablauf folgen, und mit dem Finden von gemeinsamen Interessen und Freizeitbeschäftigungen. Alles tut gut, was das „Wir-Gefühl“ stärkt. Hochsensible Kinder brauchen das besonders, als Ausgleich zu dem unvermeidlichen Gefühl der Fremdheit, das sie immer wieder in Kindergarten, Schule und allgemein unter Gleichaltrigen haben werden.
Was ist das Schwierigste, das hochsensible Kinder zu lernen haben? Parlow: Das Schwierigste ist, zu ihrer Eigenart und Einzigartigkeit zu stehen und mit anderen gut auszukommen, d.h. sich selbst treu zu sein und sich trotzdem mit anderen zu verbinden und verbunden zu fühlen. Eltern können sie dabei unterstützen, indem sie ihre Interessen und Eigenarten schätzen und pflegen und ihnen helfen, das Gute in anderen zu sehen – und indem sie Freundschaften ihrer Kinder fördern, aber ihnen auch die Freiheit zugestehen, sich zurückzuziehen. Info: www.zartbesaitet.net
Zur Sache
Die Erwartungen an Kinder sind oft hoch. Sie sollen cool, extrovertiert und abenteuerlustig sein. Viele sind mit einer als schnell und laut empfundenen Welt überfordert und beginnen sich zu verweigern. Etwa 15 Prozent der Bevölkerung sind hochsensibel. Sie erleben Lärm, Hektik, Unruhe und Wettbewerb stärker und fühlen sich in Gruppen ausgeliefert, sie sind „dünnhäutiger“. Die kreativen Fähigkeiten der Kinder zu stärken und ihre Bedürfnisse nach Ruhe und Rückzug wahrzunehmen, hilft ihnen, sich in der Welt zurechtzufinden und gut zu entwickeln. Buchtipp für Eltern: Rolf Sellin, Mein Kind ist hochsensibel – was tun?, Kösel-Verlag.
„Philipp zähmt den Grübelgeier“ ist das neue Kinderbuch von Magdalene Hanke-Basfeld. In 13 Geschichten erzählt sie von Philipp – was er erlebt, wie er sein Leben meistert und mit seinen Ängsten und Unsicherheiten umgehen lernt. Buchtipp: Philipp zähmt den Grübelgeier, Magdalene Hanke-Basfeld, Festland Verlag, Wien.