In der Bibel finden sich Texte, die uns ermuntern, die Freuden des Lebens zu genießen. Mitten unter einem festlichen Essen fragt Herbert auf einmal: „Können wir hier sitzen und schlemmen, obwohl es so vielen Menschen auf der Welt so elend geht?“ Einige haben einen Zorn bekommen über diese Frage gerade jetzt in der lustigen Runde, anderen wurde mulmig zumute. Die biblischen Schriften ermutigen uns, das Gute ohne schlechtes Gewissen anzunehmen und zu genießen, denn es kommt von Gott. Sie rufen uns gleichzeitig dazu auf, wo es geht, Not zu lindern.
Wie das Leben geht?
Der alttestamentliche Weisheitslehrer Kohelet hat gründlich darüber nachgedacht, in welcher Haltung wir Gutes und Schlechtes annehmen sollen (siehe Kasten). „Zeig mir, wie das Leben geht!“ Mit dieser Aufforderung kann man die Weisheitsliteratur des Alten Testaments zusammenfassen. Zunächst einmal gab es die optimistische Überzeugung, dass wir Menschen in einer gerechten und überschaubaren Weltordnung leben: Für die Guten geht das Leben gut aus und für die Bösen geht es schlecht aus. Nach dem 6. Jahrhundert vor Christus blühte die Weisheitsliteratur erneut auf. Es geht um eine weiter gefasste Weltordnung, um den Kosmos, und um das, was ihn im Innersten zusammenhält. Außerdem wird die Frage nach dem Sinn des menschlichen Daseins – beeinflusst von der griechischen Philosophie – gestellt.
Gott und das Leid
Einen weiteren Schritt macht die Entwicklung in den Büchern Ijob und Kohelet. Sie sind Dokumente einer tiefen Krise. Ijob versteht Gott und die Welt nicht mehr. Er kommt bis an den (Ab-)Grund seiner Existenz. In einer Auseinandersetzung, die sehr berührend ist, ruft er Gott an gegen Gott. Ijob kommt trotz aller Besserwisserei seiner theologisch gebildeten Freunde zu einer persönlichen Gotteserfahrung.
In Gottes Hand
Kohelet hingegen blickt wie von oben in ausgeglichener Weisheit auf alle Bemühungen der Menschen. Zur Zeit Kohelets trägt das einfache Gleichgewicht von Gut und Böse nicht mehr. Manchen, die verantwortungslos leben, geht es gut, und andere, die sich redlich bemühen, haben ein schweres Schicksal zu tragen. Eine gerechte Weltordnung ist nicht mehr zu erkennen – und dennoch, es gibt eine Ordnung – von Gott her.Kohelet ist eine Amtsbezeichnung, und meint Versammlungsleiter oder Prediger. Dieser Philosoph unbekannten Namens wirkte gegen Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. Er könnte der aristokratischen Oberschicht Jerusalems angehört haben. Jedenfalls war er sehr vertraut sowohl mit der hellenistischen Philosophie als auch mit der jüdischen Weisheitstradition. Leider haben viele ein Vorurteil gegen Kohelet, weil er kaum von Gott spricht. Wer sich aber die Mühe nimmt, die zwölf Kapitel des Buches zu lesen, wird merken, dass Gott selbstverständlich da ist. Er hält die Welt in seinen Händen.
Fasten und Rebhuhn
Was bleibt uns Menschen nach der Auffassung Kohelets? Wir müssen aufmerksam sein für das Gute, das uns Gott zu seiner Zeit schenken will, für Essen, Trinken, Partnerschaft, Besitz und überhaupt alles, was Freude macht. Wir dürfen genießen, ausgelassen und fröhlich sein. Aus der Hand Gottes empfangen wir alles. Die Kirchenlehrerin Teresa von Avila bringt es auf den Punkt mit dem Ausspruch: „Wenn Fasten dann Fasten, wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn“.
Glück genießen
Der Text
Dies ist etwas, was ich eingesehen habe: Das vollkommene Glück besteht darin, dass jemand isst und trinkt und das Glück kennen lernt durch seinen eigenen Besitz, für den er sich unter der Sonne anstrengt während der wenigen Tage seines Lebens, die Gott ihm geschenkt hat. Denn das ist sein Anteil. Außerdem: Immer wenn Gott einem Menschen Reichtum und Wohlstand geschenkt und ihn ermächtigt hat, davon zu essen und seinen Anteil fortzutragen und durch seinen Besitz Freude zu gewinnen, besteht das eigentliche Geschenk Gottes darin, dass dieser Mensch sich nicht so oft daran erinnern muss, wie wenige Tage sein Leben zählt, weil Gott ihm durch die Freude seines Herzens Antwort gibt.
Kohelet 5, 17–19
Leben mit der Bibel
Freude und Leid, Hoffnung und Angst – die Bibel ist voll dieser menschlichen Lebenserfahrungen. Und sie zeigt uns, wie wir unser Lebens vor Gott zur Sprache bringen können. Die Pastoralassistentin Mag. Ingrid Leitner und Pfarrer Mag. Peter Hausberger von Salzburg/St. Paul sind die Autoren unserer aktuellen Reihe. Sie sind seit Jahren in der Bibelarbeit tätig.