Wasser predigen und Wein trinken – dieser Vorwurf geht uns leicht von den Lippen. Ist es nicht oft so, dass jemand etwas von anderen fordert, was er selbst nicht tut? Dabei ist doch Wein trinken nichts Böses. Der Durchschnitts-Österreicher bringt es im Jahr auf eine ganze Menge Weinflaschen.
Johannes-Jünger und Pharisäer (die übrigens gläubige und ernsthafte Menschen waren) werfen Jesus vor, dass seine Jünger zu wenig fasten. Wir wissen von Jesus, dass er sogar 40 Tage in der Wüste gefastet hat, und doch wurde über ihn geredet, er sei ein „Fresser und Säufer“ gewesen und habe unter genusssüchtigen Menschen gelebt. Diese „Doppelgesichtigkeit“ Jesu ist eine besondere Tugend. Gerade weil Jesus die Welt, die Menschen und das Menschliche geliebt hat, war er nicht von vornherein ein reiner Asket.
Können denn die Hochzeitsgäste fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist?“ Das Evangelium verlangt von uns nicht zuerst Verzicht, büßen, leiden und sich schlecht vorkommen. Wer an die Hochzeit zu Kana denkt oder an das Mahl mit Zöllnern und Sündern, erlebt Jesus nicht als Neinsager, der ständig vor dem Laster warnt und jeden Genuss verbietet. Jesus erlaubt ausdrücklich, dass die Jünger es sich gut gehen lassen, aus Freude über die Anwesenheit Gottes.
Trotzdem kennt das Christentum auch die Fastenzeit: „Es werden aber Tage kommen, da wird ihnen der Bräutigam genommen sein . . .“ Hier wird deutlich, dass Verzicht und Fasten nicht eine Verneinung des Lebens und der Schöpfung sind, sondern Ausdruck für den Schmerz darüber, dass die Welt unvollkommen ist. Das christliche Fasten bezieht sich demnach auf die Abwesenheit Jesu, auf die Tatsache seiner Ermordung, auf den Hass, die Verachtung und Bosheit in der Welt, auf die Ungerechtigkeit, den Hunger, die Ausbeutung und den Krieg.
Severin Renoldner leitet die Abteilung „Gerechtigkeit – Friede – Schöpfung“ im Pastoralamt und das Sozialreferat der Diözese Linz.