Ausgabe: 2003/10, Fastensonntag, Renoldner, Glaube, Wort zum Sonntag
05.03.2003 - Kirchenzeitung der Diözese Linz
Das älteste und kürzeste Evangelium hat Markus verfasst. Es beginnt nicht mit dem Stall von Bethlehem, sondern mit dem erwachsenen Jesus. Ähnlich wie Johannes der Täufer verlangt Jesus die Umkehr der Menschen. Aber er spricht nicht davon, dass wir fasten und uns läutern sollen, um Buße zu tun, sondern davon, dass die Zeit erfüllt ist: das Reich Gottes sei schon ganz nahe. Wir sollen nur daran glauben. Diese Botschaft ist im späteren Christentum oft in Vergessenheit geraten. Jesus verlangt von uns nicht gute Werke, Selbstkasteiung und Verzicht, damit das Reich Gottes endlich herbeikommt, sondern er verspricht uns quasi, dass es schon unmittelbar bevorsteht und möchte uns ermutigen, das Gute, das in uns angelegt ist, einfach zum Durchbruch gelangen zu lassen. Diese Leichtigkeit, mit der wir Christinnen und Christen gut sein sollten, ist uns manchmal abhanden gekommen. In dem Wort „er möchte sich den Himmel verdienen“ kommt das zum Ausdruck. Das Reich Gottes ist nach dem Evangelium gerade nicht etwas, das sich irgend jemand privat verdienen könnte. Wir denken: wer besonders gut und fromm lebt und immer den Willen Gottes tut, der schon. Aber im Umfeld Jesu waren das die Pharisäer. Sie waren Menschen mit einer aktiv gelebten religiösen Praxis, Gläubige in Wort und Tat. Und gerade sie hat Jesus so oft kritisiert. Warum wohl?
Das Christentum hat selbst eine neue Art von Pharisäertum hervorgebracht. Jesus hat aber gesagt: „Niemand ist gut außer Gott.“ Das bedeutet: Wer meint, immer das Gute getan zu haben, dem fehlt es an der Erkenntnis, dass alles von Gott kommt. Deshalb ist Jesus oft den „Sündern“ näher gestanden, als den angeblich Guten und Gerechten. Das Wort „Kehrt um“ ist deshalb eine heilsame Botschaft. Wir sind gut, weil wir von Gott abstammen, aber nicht „weil wir so brav sind“.
Severin Renoldner leitet die Abteilung „Gerechtigkeit – Friede – Schöpfung“ im Pastoralamt und das Sozialreferat der Diözese Linz.