Notfallseelsorge ist Erste Hilfe für die Seele. Über 100 ehrenamtliche Seelsorger/innen kümmern sich in Oberösterreich um Menschen in den ersten Stunden nach einem plötzlichen Todesfall – seit 15 Jahren.
„Ich bin sehr dankbar für mein Leben – und bin demütig geworden.“ Das ist es, was Michaela Helletzgruber selbst geschenkt bekommen hat. Als Notfallseelsorgerin hat sie oft mit Menschen zu tun, für die von einem Moment auf den anderen vieles anders geworden ist. Ein Unfall. Ein Suizid. Ein gewaltsamer Tod. Immer gibt es Angehörige, auch Helferinnen und Helfer, die schwer mit dem zu ringen haben, was noch vor wenigen Momenten undenkbar schien. „Ich habe doch gerade noch mit ihm telefoniert, es kann nicht sein“, will es die Frau, der die Nachricht vom Tod ihres Mannes überbracht werden musste, nicht glauben. Es ist Aufgabe der Polizei, eine Todesnachricht zu überbringen. Aber Beamte müssen bald wieder weg. Da ist es gut, wenn jemand bleibt – für die nächsten Stunden. Seit 15 Jahren gibt es in Oberösterreich die ökumenische Notfallseelsorge.
„Ihr seid meine Engerl“
Nein. Es braucht keine „Lizenz zum Trösten“. Aber es gibt so viele Situationen, wo niemand da ist. Wie damals, bei einem von Michaela Helletzgrubers ersten Einsätzen. Erst auf dem Friedhof hatten sich die 90-jährige Frau und der gleichaltrige Mann kennengelernt – und dann schöne Jahre gehabt –, bis er starb. Da war sie wieder allein. Zu zweit haben ihr die Notfallseelsorgerinnen geholfen in der ersten Nacht. Sie war so dankbar, ließ sich zudecken von ihnen. „Ihr seid meine Engerl“, sagte sie – und schlief dann doch ein. Notfallseelsorge, das ist Hilfe in den ersten Stunden, wenn alles aus dem Lot gerät. Zusammen mit der Krisenhilfe Oberösterreich wird der Dienst organisiert.
Die andere Seite
Michaela Helletzgruber hat es schon von der anderen Seite gelernt, als sie nach einem Notruf jemand aus dem Seelsorger/innen-Team hinschickte – bis der Anruf kam: Es war ihr eigener Bruder, der verunglückt war. Da war es gut, als sie in der Nacht den Anruf des Bestatters bekam, der den Sarg noch einmal geöffnet hatte, um ihr tröstend zu schildern: Das Gesicht zeigt keine Spuren eines schweren Todeskampfes.
Wachsendes Gespür
Es ist viel Sensibilität gewachsen: bei Polizei, bei Rot-Kreuz-Leuten, bei vielen, die mit Trauernden zu tun haben. Vor allem, wenn Todesursachen noch unklar sind und ermittelt wird, stehen die Angehörigen oft so hilflos da. Sie können es nicht begreifen. Da ist es gut, wenn jemand da ist. Klar ist: Notfallseelsorger/innen drängen sich nicht auf. Nur wenn ihr Beistand gewollt ist, bleiben sie. Über 100 ausgebildete ehrenamtliche Notfallseelsorger/innen gibt es in Oberösterreich. Die Kirchen arbeiten zusammen. „Es kann so schnell anders werden“, weiß Michaela Helletzgruber. Doch auch das ist ihre Erfahrung: „So schlimm eine Situation auch scheint – es geht weiter“, sagt sie – und denkt an ihren Bruder. Und: „Notfallseelsorge – für mich ist das Kirche.“
Berufen zum Helfen. Bischof em. Maximilian Aichern und Superintendent Gerold Lehner (Bild rechts) sendeten und segneten am 4. März in der evangelischen Christuskirche in Wels zwölf Frauen und Männer für den Dienst als Notfallseelsorger/in. „Der Mensch ist es, der dem Menschen beisteht“, sagte Lehner. „So wie Jesus die Jünger auf dem aufgewühlten See beruhigen konnte, sind Notfallseelsorger/innen für die Menschen in aufwühlenden Situationen da“, erinnerte Aichern an die Nachfolge Jesu. Rund 200 Gäste feierten beim Jubiläumsfest mit.