Heftige Kritik erntete der durchgesickerte Entwurf eines Wertekodex für Kinderbetreuungseinrichtungen der Stadt Wels. Bürgermeister Andreas Rabl signalisiert nun Gesprächsbereitschaft: Der Entwurf „ist nicht in Stein gemeißelt“. Kritikpunkte sollen berücksichtigt werden.
„Die Kinder sind fähig, mindestens fünf deutschsprachige Lieder und mindestens fünf deutschsprachige Gedichte zu singen bzw. vorzutragen (eine konkrete Festlegung der Lieder und Gedichte erfolgt).“ Das ist eines der „konkreten Lernziele“, die im Auftrag des Welser Bürgermeisters Andreas Rabl den städtischen kinderpädagogischen Einrichtungen verordnet werden sollen. Der Erstentwurf der zuständigen Magistratsabteilung soll nun von Experten begutachtet werden. Kommende Woche wird es ein Gespräch mit den städtischen Kindergartenleitungen geben.
Im Wertekodex-Entwurf finden sich unumstrittene Werte, wie das Kindeswohl, Erziehung zum Helfen, das Vermitteln von Geborgenheit, auch Gewissensbildung. Neben dem Lernziel für deutschsprachige Lieder sorgte jedoch auch der Vorschlag, dass zu den christlichen Festen die Kinder in die Kirchen geführt werden sollen, für Kritik. Gerade in Wels gibt es einen hohen Prozentsatz nichtchristlicher Kinder. Es handle sich um keine Pflicht, sondern um eine „Ermöglichung“, versteht Rabl die Aufregung nicht. Es werde keine Sanktionen geben, niemand verliere den Kindergartenplatz, wenn das „Lernziel“ nicht erreicht werde. Es werde, was die Lieder betrifft, auch kein Prüfen geben.
Kritik der Franziskanerinnen
Seitens der katholischen Kirche spricht man von einer „Vereinnahmung des Christlichen“. Die Franziskanerinnen von Vöcklabruck, die in Wels eine Krabbelstube und einen Kindergarten führen, betonen: Der geplante Wertekodex ist ohne Mitarbeit und ohne Zustimmung der Franziskanerinnen von Vöcklabruck erstellt worden. Im Entwurf wurden Teile ihres christlich-franziskanischen Wertekonzeptes „sehr vereinfacht und verkürzt“ zitiert. Wörtlich heißt es in ihrer Erklärung: „Das Feiern christlicher Festtage im Sinn christlich-franziskanischer Wertvorstellungen ist mehr als traditionelles Begehen von Feiertagen. Das christlich-franziskanische Wertangebot an den Bildungseinrichtungen der Franziskanerinnen beinhaltet in der Hauptsache offen sein für Gott, die Wertschätzung des anderen und die Solidarität mit anderen, wertschätzende Begegnung mit anderen Ethnien, Kulturen und Religionen und schonender Umgang mit der Natur als Schöpfung Gottes.“
Nicht unmittelbar betroffen sind die Caritas- bzw. Pfarr-Kindergärten, diese sind aber auf Förderungen der öffentlichen Hand angewiesen. Für Edith Bürgler-Scheubmayr von der Caritas wäre der staatliche Bildungsrahmenplan durchaus ausreichend. Sie hofft auf einen differenzierten Diskussionsprozess, in den sich auch die privaten Anbieter einbringen können.