Brasilien umfasst 8,516 Millionen Quadratkilometer, davon stehen bescheidene 470 Quadratkilometer dem Indianerstamm der Tupinambá zu. Und doch scheint es unmöglich, dass sie zu ihrem Recht kommen. Die Aktion SEI SO FREI interveniert im brasilianischen Justizministerium.
Ausgabe: 2016/13, Tupinambá, sei so frei, KMB
29.03.2016 - Josef Wallner
„Wir sind nicht ein paar Europäer, die sich wichtig machen und in die Angelegenheiten anderer Länder einmischen wollen, sondern wir lassen unsere Partner nicht allein“, sagt Christina Lindorfer zu dem nicht alltäglichen Engagement der Aktion SEI SO FREI. Die „Dritte Welt“-Organisation der Katholischen Männerbewegung unterstützt im brasilianischen Bundesstaat Bahia den indigenen Stamm der Tupinambá beim Kampf um ihre Landrechte. Dazu sind im Vormonat die beiden SEI SO FREI-Projektreferenten Franz Hehenberger und Christina Lindorfer mithilfe der österreichischen Botschaft in das brasilianische Justizministerium gegangen. Beim Treffen mit dem für Indianerfragen zuständigen Kabinettschef bekamen sie einen tiefen Einblick in die politische Realität des Landes. Kabinettschef Dr. Flavio Chiarelli war es sichtlich unangenehm, dass zwei Europäer auftauchten und ihm 2000 Protest-Unterschriften aus Österreich übergaben. Dann erklärte er ihnen wortreich, dass noch ein anthropologischer Test ausständig sei, der wirklich und endgültig Klarheit schaffen soll. Denn wer will in einer so wichtigen Sache nicht Gewissheit? Beunruhigend ist allerdings, dass die Betroffenen selbst von dieser neuerlichen Untersuchung nichts wussten, die ersten fünf Tests alle positive Ergebnisse gebracht haben und das Verfahren als abgeschlossen galt.
Achtung vor der Natur
Es geht auch gar nicht um die Anthropologie, sondern um die Wirtschaft. Seit 2004 haben es die 6000 Tupinambá schriftlich: Das Land um ihre Dörfer – etwa in der Größe des Bezirks Wels-Land – gehört ihnen. Doch zwischen recht haben und das Recht auch bekommen, klafft ein tiefer Spalt. Der notwendige Eintrag ins Grundbuch braucht die Unterschrift des Justizministers, und die steht aus. Die Tupinambá sind mit ihrem Kampf in Brasilien nicht allein. Es gibt 1061 indigene Territorien, von denen es Dutzenden genauso wie ihnen geht und mehr als 300 noch überhaupt ohne Bescheid sind. „Der Weg wird lange und mühsam werden“, sagt Lindorfer. Nicht nur weil kürzlich der Justizminister zurückgetreten ist, sondern weil Teile des Stammesgebietes von Großgrundbesitzern landwirtschaftlich genutzt werden, weil am Küstengebiet des Stammes Hotels stehen und eine Kleinstadt teilweise auf Indianergebiet errichtet wurde. „All das ist schwierig zu lösen, ändert aber nichts an der Rechtslage“, betont die SEI SO FREI-Referentin. Vor allem, weil das Recht mit Füßen getreten wird: 2010 haben korrupte Polizisten Häuser der Tupinambá zerstört, um sie einzuschüchtern, haben Felder abgebrannt und der Häuptling Babau wird seither immer wieder verhaftet. So musste er auch in letzter Minute den Flug nach Brasilia absagen, wo er mit ins Justizmisterium wollte. Seit Jahren unterstützt SEI SO FREI die Tupinambá in der Landwirtschaft und Bildung und nun auch bei ihrem Rechtsstreit. „Aber die Hilfe ist keine Einbahnstraße“, gibt Lindorfer zu bedenken: Die nachhaltige Wirtschaftsweise der Tupinambá, ihre Achtung vor der Natur – das ist gelebter Klimaschutz, der auch uns zugute kommt und vor allem aufrütteln soll.