Die Sä-Leute gehören zu den Stützen der Kirche in Umtata: Sie erzählen den Kindern von Jesus und seiner Liebe zu den Armen und Kleinen.
Unten beim Fluss stehen die Hütten am dichtesten, denn dort gibt es fließendes Wasser – der einzige „Luxus“ im Tipini-Slum, auch wenn die Bewohner vom Bad in der braunen Brühe nässende Blasen und juckende Pusteln bekommen. Die Armensiedlung nahe Umtata ist wohl eine der elendsten Ecken der ohnehin armseligen Region Transkei im Südosten Südafrikas. Kinder klagen über zerschnittene Sohlen: Jeder Regen spült Teile aus dem Müllberg, auf dem das Elendsviertel errichtet wurde, in den Fluss. Rostige Dosen und scharfe Splitter lauern dann auf die kleinen Füße.
Gesang über Müllhalden
Oben, wo die Hütten weniger dicht stehen, weil der Weg zum Fluss zu weit ist, weht der Wind neben Gestank auch Gesang über die Müllhalden. Kinder in Schuluniform winken mit kleinen, schwarzen Bibeln und singen mit heller Stimme: „Freut euch im Herrn, ja, freut euch allezeit im Herrn!“ Die Kinder haben gerade Religionsstunde, und weil auch die Vögel im Freien singen, hat Linda Mzaca sie hinausgeführt, um Gott zu loben. Die Schule oben am Hügel ist der ganze Stolz von Tipini. Linda ist ihre Direktorin; die eigentliche Berufsbezeichnung aber ist „sower“. Dieses Wort – etwas holprig mit „Sä-Frau“ übersetzt – beschreibt eine der wichtigsten Stützen der Kirche in Umtata. Die Sä-Leute sind in ganz unterschiedlichen Bereichen aktiv: Sie versammeln die Kinder aus der Nachbarschaft, um mit ihnen zu singen, zu tanzen und Bibel-Geschichten als Theaterstücke zu spielen. Sie besuchen Kranke, spenden Sterbenden Trost, oder sie gründen eine Schule, wie Linda es getan hat.Seit acht Jahren bringt Linda den völlig verwahrlosten Kindern Lesen und Schreiben bei. Und sie erzählt ihnen von Jesus und seiner Liebe zu den Armen und Kleinen: „Es gibt den Kindern ein gutes Gefühl, wenn sie sehen, dass sie von Gott geliebt werden, auch wenn sie schmutzig sind und von den Stadtkindern verspottet werden.“ Lindas Kinder mögen zerschnittene Füße haben, aber ihre Seelen finden Heilung, seit sie wissen, dass sie im Himmel einen Verbündeten haben.
Bodenständig
Ein paar hundert Kilometer nördlich von Umtata, in einer Schwarzen-Siedlung namens Ekangala, müht sich der Südtiroler Priester Karl Kuppelwieser um eine kleine Herde. Lebensnah und bodenständig muss die Kirche sein, will sie hier mit den „unabhängigen“ afrikanischen Kirchen mithalten. Und wie bei diesen geben auch bei den Katholiken mittlerweile die Laien den Ton an. Father Charles, wie Pater Kuppelwieser hier genannt wird, kann ohnehin nicht überall zugleich sein und weiß seine „Schäfchen“ bei der Gemeindeleiterin Elisabeth und den Katechistinnen Benety und Evelyn in guten Händen.Gottesdienst in einem Klassenzimmer der Handelsschule von Ekangala. An der Tafel im Hintergrund ist alles Wissenswerte über die Aufzucht von Schafen vermerkt, und vor dem Katheder tut Benety ihre Gedanken kund zum heutigen Evangelium – nur einer ist euer Vater, der Vater im Himmel: „Wen darf man einen Vater nennen?“, fragt Benety. Antwort: „Ein Vater liebt alle seine Kinder gleich, und sie fürchten sich nicht, sich ihm zu nähern.“ Dann kommt die Katechistin zur Sache: „Wenn ein Mann, der sich Vater nennt, seine Pflichten nicht ernst nimmt, wenn er dauernd betrunken ist, wie sollen ihn seine Kinder respektieren?“ Die Botschaft des Evangeliums fasst Benety zusammen: „Jeden Tag, wenn du aufstehst, denk dir nicht, es ist ganz egal, was ich tue. An jedem Tag musst du dir selbst treu bleiben und deiner Berufung als Vater oder Mutter, als Bruder oder Schwester – und als Christ.“
Originelle Ideen
Die Frohe Botschaft ins Hier und Heute zu bringen, darin haben die Katholiken von Ekangala eine wahre Meisterschaft entwickelt. Das Gleichnis von den Talenten etwa wird konkret in Schafen und Popcorn. Um Geld zu sparen für ein bescheidenes Pfarrzentrum, werden kleine Summen aus der Gemeindekasse an Freiwillige verliehen, die diese „Talente“ mit originellen Ideen vermehren: So hat eine der Frauen für 50 Rand (acht Euro) Futter für ihre Schafe gekauft; jetzt hat sie eines der Tiere verkauft, vom Erlös liefert sie 100 Rand an die Kirchenkasse ab. Eine andere Frau hat binnen einer Woche aus 50 Rand 80 gemacht, indem sie Popcorn in kleinen Säckchen besorgte, es auf dem Herd zubereitet und, appetitlich verpackt, weiterverkauft hat. Gemeindeleiterin Elisabeth nimmt die Spenden entgegen und wird das Geld am Montag auf die Bank bringen, wo die Zinsen die gute Saat weiter mehren sollen.