„Nicht alles ist für alle gut“, das wusste schon Jesus Sirach. Prüfen Sie, welchen „Wegweisern“ durchs Leben Sie folgen.
Ungefähr 191.000 Fundstellen gibt es zum Stichwort „Lebensfreude“ im Internet. Wirklich Tiefgründiges und Gehaltvolles habe ich hier auf den ersten Blick aber nicht entdeckt. Neben dem Internet habe ich noch andere „Quellen“ zum Thema Lebensfreude durchsucht. Dabei bin ich im Besonderen beim griechischen Philosophen Demokrit und beim alttestamentlichen Weisheitslehrer Jesus Sirach fündig geworden – mit erstaunlich aktuellen und wirklich hilfreichen Zugängen zu mehr Lebensfreude.
Realistische Erwartungen
Demokrit, der „lachende Philosoph“, schrieb im 5./4. Jh. v. Chr. eine Abhandlung „Über die Heiterkeit“. Heiterkeit bedeutet für ihn vor allem eine Wohlgestimmtheit des Gemüts. Diese Wohlgestimmtheit ist für den Philosophen eng verbunden mit einem ausgewogenen Leben zwischen dem Zuviel und dem Zuwenig in allen Dingen. Im Besondern ist Heiterkeit für Demokrit erreichbar, wenn Menschen die „Übelgesinnheit“ vermeiden. Das ist dann möglich, wenn man grundsätzlich davon ausgeht, dass nichts reibungslos vonstatten geht. Wer nur Perfektes erwartet (perfekte Kinder, perfekten Partner, perfekte Kollegen, perfekte Arbeitsbedingungen und Arbeitsmaterialien . . .), der wird leicht übel gesinnt, weil eben nichts perfekt ist. Wer sich stattdessen daran gewöhnt, Eigenarten und Merkwürdigkeiten Anderer als gegeben hinzunehmen und damit bestmöglich umzugehen, der ist in der Lage, „Wohlgemutheit“ zu erleben.
Die Perspektive wechseln
Ferner kommt es darauf an, sich über erfreuliche Dinge auch wirklich freuen zu können. Mit einem großen Augenzwinkern weiß Demokrit schließlich noch, dass Heiterkeit eine Frage der Perspektive ist: Wer sich immer nur mit „Höherstehenden“ vergleicht, mit Menschen, die angeblich mehr haben, mehr gelten, der bestraft sich selbst immer wieder, weil er Mangel und Unzufriedenheit empfindet. Wer sich hingegen mit jenen vergleicht, denen es vermeintlich schlechter geht, deren Lage schwieriger ist, wird für seine Situation dankbar sein und heitere Zufriedenheit empfinden.
Auch in der Bibel gibt es Wertvolles zum Thema Lebensfreude zu erfahren. Besonders originell ist dabei Jesus Sirach, der um 180 v. Chr. z. B. über Sorge und Frohsinn philosophiert und dabei empfiehlt: „Überlass dich nicht der Sorge, schade dir nicht selbst durch dein Grübeln! Herzensfreude ist Leben für den Menschen, Frohsinn verlängert ihm die Tage. Überrede dich selbst, und beschwichtige dein Herz, halte Verdruss von dir fern! Denn viele tötet die Sorge, und Verdruss hat keinen Wert. Neid und Ärger verkürzen das Leben, Kummer macht vorzeitig alt. Der Schlaf des Fröhlichen wirkt wie eine Mahlzeit, das Essen schlägt gut bei ihm an.“
Bedenkenswert ist auch, was Jesus Sirach zum „rechten Genuss“ geschrieben hat: „Wer sich selbst nichts gönnt, wem kann der Gutes tun? . . . Keiner ist schlimmer daran als einer, der sich selbst nichts gönnt, ihn selbst trifft die Strafe für seine Missgunst . . . Beschenk den Bruder, und gönn auch dir etwas.“ Zugleich rät er aber: „Prüfe dich in deiner Lebensweise, beobachte, was dir schlecht bekommt, und meide es! Denn nicht alles ist für alle gut“.
Neue Lebenskultur
In unserer Zeit gibt es ebenfalls wertvolle Beiträge zum Thema Lebensfreude. Dietrich Bonhoeffer etwa, der vor seiner Hinrichtung durch die Nazis im Kerker saß, hat dort tiefe, klare und berührende Gedanken geschrieben, die im Buch „Widerstand und Ergebung“ Eingang gefunden haben. Darin kommt er, angesichts der erlebten „Verpöbelung“ und menschlichen Verkümmerung im NS-Staat, auch auf eine neue Lebenskultur zu sprechen: „. . . wo das Gefühl für menschliche Qualität . . . erlischt, dort ist das Chaos vor der Tür. Es geht (daher) auf der ganzen Linie um das Wiederfinden verschütteter Qualitätserlebnisse . . . Qualität ist der stärkste Feind jeder Art von Vermassung. Gesellschaftlich bedeutet das den Verzicht auf die Jagd nach Positionen . . . den freien Blick nach oben und nach unten, besonders was die Wahl des engeren Freundeskreises angeht, die Freude am verborgenen Leben wie den Mut zum öffentlichen Leben. Kulturell bedeutet das Qualitätserlebnis die Rückkehr . . . von der Hast zur Muße und Stille, von der Zerstreuung zur Sammlung, von der Sensation zur Besinnung . . . vom Snobismus zur Bescheidenheit, von der Maßlosigkeit zum Maß.“
Demokrit, Jesus Sirach, Bonhoeffer – jeder hat auf seine Weise einen interessanten Zugang zur Lebensfreude gefunden. Ich bin überzeugt, dass ihre Erfahrungen auch den eigenen Weg zu mehr Lebensfreude bereichern können – wetten!
Ende der Serie.
Stefan Schlager, Referent für Theologische Erwachsenenbildung der Diözese Linz, verheiratet und Vater einer Tochter, wohnt in Pichl/Wels.