„Wo nicht mehr gelobt wird, wird nicht mehr gelebt“, schreibt Bischof Manfred Scheuer. Das gilt auch für die Beziehung zu Gott.
Gar nicht so wenige meinen: Menschliches Leben als solches ist Verzweiflung. Es ist eine Gemeinheit, leben zu müssen. Ich mag nicht mehr; es wird mir alles zu viel; ich halte mich heraus. Verlassenheits- und Minderwertigkeitsgefühle, Langeweile und Müdigkeit, Lustlosigkeit und Unzufriedenheit schleichen sich ein. Innerliches Schimpfen, Selbstmitleid, Neid und Groll machen sich breit. Es wird suggeriert, dass es Gott ohnehin nicht gut meint, dass das Leben nicht Geschenk und Gabe sei, sondern Entzug, willkürliche Verweigerung von Lebensfreude, sadistisches Spiel mit der Marionette Mensch.
Lob ist Lebenssinn
„Wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt“, schreibt Paulus an die Epheser (1, 12). Der Mensch ist geschaffen, Gott zu loben. Wer würde auf die Fragen: Wozu sind wir da? Was ist der Sinn des Lebens? mit dieser Antwort kommen. Loben bedeutet im Geist der Hl. Schrift verherrlichen, preisen, bekennen als Ausdruck der Bewunderung vor der Herrlichkeit Gottes. Er schafft im Herzen des Menschen Freude, die im Lob überströmt. Solche Freude ist dann die Stärke des Menschen (Neh 8,10).
Loben entspringt der Liebe und der Freude. In ihren sprachlichen Wurzeln gehören lieben, loben, glauben und leben zusammen. Das Lob ist Sprache des Glaubens. Gott ist ja nicht zuerst ein moralischer Imperator, kein Peitschenknaller, kein Überwacher. Gott ist kein Vampir, der dem Menschen den Lebenssaft aussaugt. Er ist kein Rivale des Menschen. Im Gegenteil: Er ist ein Freund und Liebhaber des Lebens (Weish 11, 26). Jesus ist gekommen, damit wir Leben in Fülle haben (Joh 10, 10). Die Ehre Gottes ist der lebendige Mensch (Irenäus von Lyon).
Lob lässt wachsen
Im Glauben wird uns zugesagt, was wir uns selbst nicht sagen können: nämlich von anderen, von Gott gut geheißen zu werden. Durch eigenes Leisten und Machen, durch Kreisen in uns, auch durch Grübeln ist das nicht zu erreichen. Wo nicht mehr gelobt wird, wird nicht mehr gelebt, sagt der Psalmist (115, 17). Die Unterdrückung des Lobes ist die Unterdrückung der Liebe. Lob ist hörbare innere Gesundheit. Lob und Anerkennung bewirken eine reale Veränderung in positiver Richtung, sie lassen wachsen und reifen.
Ein nörgelndes und mit allem unzufriedenes Zeitalter bringt kranke Menschen hervor. Ohne Lob wird der Mensch krank. Man kann auf Dauer nicht recht und gesund Mensch sein, wenn man nicht selber loben kann und nicht gelobt wird. Das Gegenteil von Lob ist nicht die Klage, sondern Abstumpfung, Dumpfheit, Erwartungslosigkeit, ist die Flucht vor dem Leben, in die Ablenkung oder eine Null-Bock-Mentalität.
„Das Leben zu feiern ist wichtiger, als die Toten zu beweinen.“ Das schreibt Elie Wiesel, der selbst durch die Höllen der NS-Konzentrationslager gegangen ist. In seinem Mund ist das keine Anweisung zum Zudecken des Leids oder zum seligen Vergessen. Es ist Appell einer Hoffnung, die das Geheimnis der Menschen verteidigt, dass sie mit Gott eins seien und eins sein werden. Elie Wiesel meint sogar: „Wer unfähig ist zur Dankbarkeit, ist kein Mensch.“ „Ich will Gott preisen mit dem Antlitz, das er mir gegeben hat“, sagt Franz von Sales. Das ist alles andere als naiv-idealistisch: Mit unserer Lebensgeschichte, mit unserem G’schau, mit der Nase, die wir haben, mit unseren Rosen und Neurosen können wir Gott loben und danken.
Der erste Schritt: Dank
Bei Buße und Umkehr geht es zuerst um die Einübung in die Dankbarkeit. Wofür Gott danken? Zu allererst für das Leben, weil das Leben selbst ein Geschenk ist. Dieses Bewusstsein ist vielen Christen fremd. Erst an Knotenpunkten, in Sternstunden oder auch in Stunden der Gefährdung, der Krankheit und des Scheiterns leuchtet auf: es gibt mich und es ist nicht selbstverständlich, dass es mich gibt.
Dankbare liebende Aufmerksamkeit richtet sich auf Momente tiefer innerer Freude, des Glücks, auf Ereignisse gelungenen Lebens und der Liebe. Buße stellt das eigene Leben unter das Ja Gottes.
Fasten-Tipp
Mit unseren Rosen und Neurosen …– Mit dem Leib Gott loben (1 Kor 6, 20: Verherrlicht also Gott in eurem Leib) – Die „freudenreichen“ Ereignisse und Geheimnisse des eigenen Lebens betrachten – Dank für die eigenen Fähigkeiten, Begabungen, für den Beruf, für die bezahlte und unbezahlte Arbeit – Lob unserer Lebenswelt, unserer Beziehungen, unserer Freundschaften und Gemeinschaften – Die eigene Glaubensgeschichte, eigene Gotteserfahrungen ins Gedächtnis rufen – Dankender Lobpreis mit Maria (Lk 1, 46–55; Magnificat)
Manfred Scheuer Der neue Bischof von Innsbruck hat viel Erfahrung in der geistlichen Begleitung und lehrte in Trier u. a. spirituelle Theologie.